Schmerzensgeld für Angehörige/Hinterbliebene
Hinterbliebenengeld
Der Gesetzgeber hat für Angehörige von Verstorbenen ein sog. Hinterbliebenengeld normiert. Die Höhe des Hinterbliebenengeldes richtet sich insbesondere nach dem Näheverhältnis des Verwandten zum Getöteten. Derzeit ist davon auszugehen, dass Angehörigen z.B. nach einem Unfalltod eines Verwandten ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 5.000 - 20.000 € zusteht. Anspruchsberechtigt sind insbesondere Eltern, Kinder und Geschwister. Aber auch Großeltern oder Tanten und Onkel können ggf. einen Anspruch auf Zahlung eines Hinterbliebenengeldes haben.
Bislang erhielten Angehörige nur in seltenen Ausnahmefällen ein sog. Angehörigenschmerzensgeld beim Tod naher Angehöriger. Den Erben standen zwar vererbte Schmerzensgeldansprüche des Verstorbenen zu. Zudem haben sie einen Anspruch auf z.B. die Beerdigungskosten. Einen eigenen Anspruch auf Schmerzensgeld für die Trauer hatten sie bislang aber nur in Ausnahmefällen. Dies hat der Gesetzgeber jetzt ändern.
Das neue Gesetz sieht in 844 Abs. 3 BGB folgendes vor:
"Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem
besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene
Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der
Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war."
Daher stehen Angehörigen für Unfälle nach dem 22.07.2017 ebenfalls Schmerzensgelder zu. Diese können einige tausend Euro betragen. Es bleibt abzuwarten, welche Schmerzensgelder für Angehörige durch die Gerichte zugesprochen werden.
Das OLG Frankfurt hat in einem aktuelleren Urteil ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 € ausgeurteilt. Danach hatte die Klägerin, die infolge des Unfalltods ihrer Tochter psychisch schwer erkrankte gegen den verkehrswidrig handelnden Unfallverursacher einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Ersatz ihres unfallbedingten Verdienstausfalls.
Das OLG Frankfurt führt in dem Urteil aus:
"Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH können mittelbar Geschädigte wie etwa die nächsten Angehörigen von Unfallopfern von dem Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherer nur ausnahmsweise materiellen und immateriellen Schadensersatz beanspruchen, nämlich dann, wenn sie eigene gesundheitliche Beeinträchtigungen mit auch nach allgemeiner Verkehrsauffassung anzuerkennendem Krankheitswert erlitten haben, die über die hinausgehen, denen nahe Angehörige bei Todesnachrichten erfahrungsgemäß ausgesetzt sind.
Die Kl. ist infolge des ihre Tochter betreffenden tödlichen Unfallgeschehens schwerwiegend psychisch erkrankt; sie leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer schweren depressiven Episode und anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen."
Der BGH bejaht einen Anspruch auf Schmerzensgeld bei einem Schockschaden wenn, es zu gewichtigen psychopathologischen Ausfällen von einiger Dauer kommt, die die auch sonst nicht leichten Nachteile eines schmerzlich empfundenen Trauerfalls für das gesundheitliche Allgemeinbefinden erheblich übersteigen und die deshalb auch nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit betrachtet werden (BGH NJW 1989, NJW Jahr 1989 Seite 2317, NJW Jahr 1989 Seite 2318). Die Gesundheitsbeschädigung muss also nach Art und Schwere über das hinausgehen, was nahe Angehörige in derartigen Fällen erfahrungsgemäß an Beeinträchtigungen erleiden (BGH aaO)."
OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 19. 7. 2012 1 U 32/12
Verneint hat das OLG Hamm (OLG Hamm, Urteil vom 22. 2. 2001 - 6 U 29/00) einen Anspruch auf Schmerzensgeld für hinterbliebene Angehörige aus folgenden Gründen:
"Grundsätzlich versagt das geltende Recht Ersatzansprüche für seelischen Schmerz, soweit dieser nicht Auswirkungen einer Verletzung des eigenen Körpers oder der eigenen Gesundheit ist. Kommt es wie in der vorliegenden Sache wegen des Todes eines nahen Angehörigen bei diesem zu gesundheitlichen Auswirkungen, so kann u.U. gleichwohl ein eigener Schadensersatzanspruch wegen einer psychisch vermittelten Primärverletzung entstehen. Allerdings führt nicht jede medizinisch fassbare Gesundheitsbeeinträchtigung schon zu einem eigenen Anspruch des durch die Verletzungshandlung des Schädigers nur mittelbar Geschädigten. Eine Ersatzpflicht für solche psychisch vermittelte Beeinträchtigungen kann nur dort bejaht werden, wo es zu gewichtigen psychopathologischen Ausfällen von einiger Dauer kommt, die die auch sonst nicht leichten Nachteile, wie sie bei Tod oder schwerer Verletzung von Verwandten auftreten, erheblich übersteigen und deshalb auch nach allgemeiner Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit betrachtet werden. Deswegen genügt es nicht allein, dass aus medizinischer Sicht physiologische Störungen vorhanden sind. Erforderlich ist vielmehr, dass auch aus medizinischer Sicht eine nachhaltige traumatische Schädigung verursacht ist, die zudem aus juristischer Sicht dasjenige übersteigt, worin sich das normale Lebensrisiko der menschlichen Teilnahme an den Ereignissen der Umwelt verwirklicht. Selbst tiefe depressive Verstimmungen reichen nicht aus, auch wenn sie medizinisch fassbar sind. Ein starkes negatives Erlebnis, das Empfindungen wie Schmerz, Trauer und Schrecken hervorruft, stört regelmäßig physiologische Abläufe und seelische Funktionen in oft sehr empfindlicher Weise. Gleichwohl liegt darin noch keine Gesundheitsbeschädigung."
Falls Sie als Angehöriger ein Schmerzensgeld oder Schadensersatz geltend machen möchten, setzen Sie sich gerne für ein erstes kostenloses Informationsgespräch mit uns in Verbindung! Hilfe/Kontakt. Bitte hier klicken für weitere Informationen!
10.000 € als Richtschnur beim Hinterbliebenengeld
Das OLG Koblenz hat in einem im Januar 2021 veröffentlichten Beschluss Stellung zum Hinterbliebenengeld genommen. Das OLG ist der Auffassung, dass ausgehend von der Gesetzesbegründung und dem Sinn und Zweck des neu eingefügten § 844 III BGB der Betrag von 10.000 Euro nur eine „Richtschnur“ oder Orientierungshilfe darstellt. Die Beträge für das Hinterbliebenengeld können je nach Einzelfall, mit dem sich die Gerichte ausführlich auseinandersetzen müssen, deutlich höher aber auch niedriger als 10.000 € ausfallen.
Angesichts der Klarstellung in der Gesetzesbegründung, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen auf Ersatz eines Schockschadens und der Voraussetzungen des § 844 III BGB der Anspruch auf Ersatz des Schockschadens dem Anspruch auf Hinterbliebenengeld vorgehen solle, liegt der Hinterbliebenengeldbetrag jedenfalls im Regelfall unter dem für so genannte Schockschäden zuzuerkennenden Betrag.
OLG Koblenz, Beschluss vom 31.8.2020 – 12 U 870/20