Schmerzensgeldurteile Teil 3
Schmerzensgeld für psychische Beeinträchtigungen n
OLG Karlsruhe
Az: 1 U 28/11
Urteil vom 18.10.2011
Leitsatz: Eine Ersatzpflicht für psychisch vermittelte Beeinträchtigungen z.B. Unfalltod naher Angehöriger ist nach Auffassung des OLG Karlsruhe nur zu bejahen, wenn es zu gewichtigen psychopathologischen Ausfällen von einiger Dauer kommt, die die auch sonst nicht leichten Nachteile eines schmerzlich empfundenen Trauerfalls für das gesundheitliche Allgemeinbefinden erheblich übersteigen und die deshalb auch nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit betrachtet werden. Die Gesundheitsbeschädigung muss also nach Art und Schwere über das hinausgehen, was nahe Angehörige in derartigen Fällen erfahrungsgemäß an Beeinträchtigungen erleiden.
I. Auf die Berufung des Klägers Ziff. 2 wird das Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil des Landgerichts Mosbach vom 7. Januar 2011 - 1 O 57/09 - abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger Ziff. 2 ein Schmerzensgeld i. H. v. EUR 3.000,00 nebst Zinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.04.2009 zu zahlen.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger Ziff. 2 EUR 12.021,13 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 17.04.2009 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind -die Beklagte Ziff. 1 im Rahmen der Deckungssumme des zugrunde liegenden Versicherungsvertrages (Versicherungsnummer 650/087689/H) -, der Klägerin Ziff. 1 den ihr aus dem Unfall vom 03.08.2003 entstandenen materiellen Zukunftsschaden zu erstatten.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Berufung der Klägerin Ziff. 1 und die weitergehende Berufung des Klägers Ziff. 2 werden zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden wie folgt verteilt: Von den Gerichtskosten trägt die Klägerin Ziff. 1 65 %, der Kläger Ziff. 2 16 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 19 %. Die Klägerin Ziff. 1 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst, von den außergerichtlichen Kosten des Klägers Ziff. 2 trägt dieser selbst 55 %, die Beklagten als Gesamtschuldner tragen 45 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen diese selbst 19 %, die Klägerin Ziff. 1 trägt 65 % und der Kläger Ziff. 2 16 %.
Von den Gerichtskosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt die Klägerin Ziff. 1 16 %, der Kläger Ziff. 2 36 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 48 %. Die Klägerin Ziff. 1 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers Ziff. 2 trägt dieser selbst 42 % und tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 58 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen diese selbst 48 %, die Klägerin Ziff. 2 36 % und der Kläger Ziff. 1 16 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 7. Januar 2011 (verwiesen. Zweitinstanzliche Änderungen und Ergänzungen ergeben sich aus den nachfolgenden Ausführungen.
Das Landgericht hat nach durchgeführter Beweisaufnahme der Klage, mit der die Kläger nach dem Unfalltod der Mutter der Klägerin Ziff. 1/ Ehefrau des Klägers Ziff. 2 materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten, deren Einstandspflicht zu 100 % für die Folgen des Unfalls unstreitig ist, geltend gemacht haben, nur zu einem geringen Teil stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Die Klägerin Ziff. 1 hatte erstinstanzlich einen Betreuungsunterhaltsschaden i. H. v. EUR 37.960,32 geltend gemacht sowie die Zahlung eines Schmerzensgeldes von nicht unter EUR 5.000,00 begehrt. Der Kläger Ziff. 2 hatte ebenfalls ein Schmerzensgeld von nicht unter EUR 5.000,00 sowie Verdienstausfall mit EUR 22.820,75 geltend gemacht. Außerdem hatte die Klägerin Ziff. 1 noch auf Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für ihren materiellen Zukunftsschaden geklagt. Den Feststellungsantrag haben die Beklagten anerkannt. Das Landgericht hat dem Anerkenntnis gemäß verurteilt, dem Kläger Ziff. 2 ein Schmerzensgeld i. H. v. EUR 1.000,00 zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung beider Kläger, wobei die Klägerin Ziff. 1 in der Berufungsinstanz nur noch ihren Schmerzensgeldanspruch weiter verfolgt, während der Kläger Ziff. 2 seinen Verdienstausfall in vollem Umfang weiterhin geltend macht und ein weiteres Schmerzensgeld begehrt.
Die Klägerin Ziff. 1 rügt, dass das Landgericht kein Sachverständigengutachten über ihre psychischen Beeinträchtigungen aufgrund des Unfalltodes der Mutter eingeholt hat. Die Einholung eines derartigen Gutachtens hätte gezeigt, dass ein höheres Schmerzensgeld als die von der Beklagten Ziff. 1 vorprozessual gezahlten EUR 1.000,00 gerechtfertigt sei.
Der Kläger Ziff. 2 ist ebenfalls der Auffassung, ihm stünde ein höheres Schmerzensgeld als die vom Landgericht zuerkannten EUR 1.000,00 zu. Das Landgericht habe lediglich die vom Sachverständigen diagnostizierte akute Belastungsstörung, die unmittelbar nach der Todesnachricht aufgetreten sei, berücksichtigt, nicht aber die ebenfalls darauf beruhende, lange Zeit andauernde depressive Episode in der Folge. Entgegen der Auffassung des Landgerichts könne von einem fehlenden Zurechnungszusammenhang nicht ausgegangen werden. Der erlittene Verdienstausfall sei auf die depressive Episode und somit adäquat kausal auf das Unfallgeschehen zurückzuführen. Dieser hätte daher zuerkannt werden müssen.
Die Kläger beantragen, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Mosbach - 1 O 57/09 -:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger Ziff. 2 ein angemessenes Schmerzensgeld, jedoch nicht unter EUR 5.000,00 nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 03.08.2003 zu bezahlen.
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin Ziff. 1 ein angemessenes Schmerzensgeld, jedoch nicht unter EUR 5.000,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.08.2003 zu bezahlen.
3. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger Ziff. 2 einen Betrag i. H. v. EUR 22.820,75 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Klageerhebung zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Instanzen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss des Senats vom 26.07.2011 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
II.
Die Berufung der Kläger ist zulässig. Während die Berufung der Klägerin Ziff. 1 keinen Erfolg hatte, war auf die Berufung des Klägers Ziff. 2 das landgerichtliche Urteil, wie aus dem Tenor ersichtlich, abzuändern.
1. Berufung der Klägerin Ziff. 1
Mit zutreffender Begründung, der das Berufungsgericht folgt, hat das Landgericht entschieden, dass die Klägerin Ziff. 1 keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gemäß 7, 18, 11 StVG, 823, 253 BGB, 115 VVG hat. Insoweit kann auf die Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen werden (Seite 13/14 des Urteils), denen das Berufungsgericht sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage anschließt. Das Berufungsvorbringen der Klägerin Ziff. 1 weist neue Gesichtspunkte nicht auf. In Übereinstimmung mit dem Landgericht vertritt auch das Berufungsgericht die Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens nicht vorliegen, da die Klägerin trotz Hinweisen seitens des Gerichts ihren Vortrag über die behauptete bei ihr vorliegende psychische Beeinträchtigung, die über eine normale Trauerreaktion hinausgehe, nicht in ausreichendem Maße substantiiert hat. Die Klägerin hat vorgetragen und trägt auch mit der Berufung vor, sie habe unter Verlustängsten, zeitweise nicht erfolgtem Schulbesuch sowie einer erheblichen Trauerreaktion gelitten und hat sich dabei zunächst auf das Zeugnis einer behandelnden Ärztin berufen, später aber klarstellen müssen, dass sie überhaupt nicht in ärztlicher Behandlung war, sondern lediglich Beratungsgespräche beim Caritas Verband und der Diakonie wahrgenommen hat.
Eine Ersatzpflicht für psychisch vermittelte Beeinträchtigungen - wie hier der Unfalltod der Mutter - werden aber nur da bejaht, wo es zu gewichtigen psychopathologischen Ausfällen von einiger Dauer kommt, die die auch sonst nicht leichten Nachteile eines schmerzlich empfundenen Trauerfalls für das gesundheitliche Allgemeinbefinden erheblich übersteigen und die deshalb auch nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit betrachtet werden (BGH NJW 1989, 2317, 2318). Die Gesundheitsbeschädigung muss also nach Art und Schwere über das hinausgehen, was nahe Angehörige in derartigen Fällen erfahrungsgemäß an Beeinträchtigungen erleiden (BGH a. a. O.). Derartig pathologisch fassbare Befunde wurden von der Klägerin Ziff. 1 nicht vorgetragen, so dass für die Einholung eines Sachverständigengutachtens die erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehlen.
Die Berufung der Klägerin gegen das insoweit klagabweisende Urteil des Landgerichts hat daher keinen Erfolg.
2. Berufung des Klägers Ziff. 2 (in der Folge nur noch: Kläger)
Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Dieser hat gemäß 7, 18, 11 StVG, 823 Abs. 1, 842, 843, 253 BGB, 115 VVG Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes i. H. v. insgesamt EUR 3.000,00 sowie auf Erstattung seines Verdienstausfalles i. H. v. EUR 12.021,13, jeweils nebst Zinsen.
Der Kläger hat nachgewiesen ( 286 ZPO), dass er durch die Nachricht vom Unfalltod seiner Ehefrau zum einen einen Schockschaden im Sinne einer akuten Belastungsreaktion und zum anderen eine mittelgradige depressive Episode erlitten hat, die reaktiv durch den Tod der Ehefrau ausgelöst wurde und die über den gesamten strittigen Zeitraum andauerte. Von dieser für den Berufungsführer zunächst günstigen Folge ist auch das Landgericht in seinem angefochtenen Urteil ausgegangen und geht auch das Berufungsgericht aufgrund des nachvollziehbar begründeten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. F. vom 31.05.2010 aus. Allerdings hat das Landgericht in der Folge seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Beklagten haftungsrechtlich nur für die akute Belastungsreaktion einzustehen haben, nicht aber für die mittelgradige depressive Episode aufgrund einer psychischen Fehlverarbeitung. Auch diese Erkrankung habe zwar Krankheitswert im Sinne des 823 Abs. 1 BGB, die Beklagten müssten dafür aber nicht einstehen, da die Gesundheitsbeschädigung objektiv nicht vorhersehbar gewesen sei.
Dem kann das Berufungsgericht nicht folgen. Zwar trifft es zu, dass der Bundesgerichtshof (in der Folge: BGH) in einer Entscheidung, in der es in erster Linie um seelisch bedingte Folgeschäden ging, ausgeführt, dass dann, wenn es sich bei den psychisch vermittelten Beeinträchtigungen nicht um schadensausfüllende Folgewirkungen einer Verletzung handelt, sondern diese haftungsbegründend erst durch die psychische Reaktion auf ein Unfallgeschehen eintreten, eine Haftung nur dann in Betracht kommt, wenn die Beeinträchtigung zum einen selbst Krankheitswert besitzt, also eine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des 823 Abs. 1 BGB darstellt und zum anderen für den Schädiger vorhersehbar war (BGH NJW 1996, 2425, 2426). Weitere Ausführungen zu diesem Problem hat der BGH in jener Entscheidung nicht gemacht, da es dort nicht darauf ankam. Im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit hat der BGH auf ein Urteil vom 03.02.1976 (NJW 1976, 847; richtig: NJW 1976, 1143) verwiesen. In dieser Entscheidung ging es um die rechtliche Zurechenbarkeit einer Gehirnblutung, die durch Erregung über wörtliche und tätliche Beleidigung ausgelöst wurde. Dazu hat der BGH ausgeführt, soweit es um die unmittelbare Verantwortung für den psychisch vermittelten Gesundheitsschaden gehe, sei erforderlich, dass sich das Verschulden des Täters auf diese Auswirkung erstrecke, was in diesem Fall daran scheiterte, dass dem Beklagten die ungewöhnliche Anfälligkeit des Klägers nicht bekannt war, so dass sich für ihn auch keine Verpflichtung ergeben hätte, auf diesen Umstand durch besondere Zurückhaltung Rücksicht zu nehmen.
Diese Erwägungen sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Zunächst geht es hier nicht um reine Verschuldenshaftung, sondern folgt eine Haftung der Beklagten auch aus 11 StVG, der kein Verschulden voraussetzt. Zu denken wäre daher hier allenfalls an eine Einschränkung der Haftung unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Zurechnungszusammenhangs bzw. des fehlenden Schutzbereichs der Norm. Aber auch an diesen Rechtsgrundsätzen scheitert eine Haftung der Beklagten nicht.
Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass ein Gesundheitsschaden auch durch Einwirkung auf die Psyche des Verletzten in dem Schädiger rechtlich zurechenbarer Weise herbeigeführt werden kann. So war es zur Überzeugung des Berufungsgerichts auch im vorliegenden Fall.
Der Sachverständige Prof. Dr .. hat bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Mosbach vom 13.12.2010 angegeben, dass sowohl die akute Belastungsstörung als auch die depressive Episode voneinander unabhängig auf das gleiche belastende Ereignis zurückzuführen seien, nämlich die Nachricht vom Unfalltod der Ehefrau. Diesen Feststellungen, die in dem schriftlichen Gutachten vom 31.05.2010 im Einzelnen nachvollziehbar erläutert werden, schließt das Berufungsgericht sich, ebenso wie das Landgericht, an.
Eine Zurechnung der von dem Sachverständigen festgestellten psychischen Beeinträchtigungen scheidet im vorliegenden Fall nicht wegen völliger Atypizität des Geschehensablaufs und der daraus resultierenden Folgen aus. Denn bei den psychischen Erkrankungen des Klägers handelt es sich nicht um völlig fernliegende, absolut atypische Folgen nach der Nachricht vom Unfalltod der Ehefrau. Der Sachverständige hat auf Frage des Gerichts angegeben, eine empirische Untersuchung über die statistische Häufigkeit der Ausbildung einer depressiven Episode sei ihm nicht bekannt. Nach seiner therapeutischen Erfahrung sei es zwar eher selten, dass es bei Todesfällen in Familien zu einer derart ausgeprägten depressiven Episoden komme. Es handelte sich allerdings um eine subjektive persönliche Erfahrung von ihm. Seines Erachtens spiele auch eine Rolle, aus welchem Kulturraum der entsprechende Patient komme. Möglicherweise könnten Menschen, die über mehr psychische Kompensationsmöglichkeiten verfügten als der Kläger, innerpsychisch besser mit einem solchen Trauerfall umgehen. Der Kläger habe allerdings keine Disposition für die Ausbildung einer psychischen Erkrankung. Es seien bei ihm lediglich Umstände vorhanden, die die depressive Episode begünstigt hätten, so die einfach strukturierte Persönlichkeit und die histrionische Persönlichkeitsakzentuierung.
Der Sachverständige hat sich auch damit auseinandergesetzt, dass der Kläger, obwohl er zum Zeitpunkt des Unfalltodes seiner Ehefrau bereits mehrere Monate von dieser getrennt gelebt hatte, derart tiefgreifende psychische Beeinträchtigungen davongetragen hat. Auch das führt der Sachverständige auf die eher schlichte Persönlichkeit des Klägers zurück, da dieser die Ehe nie als gescheitert angesehen und auch nicht so erlebt habe, sondern zum Zeitpunkt des Unfalltodes fest davon überzeugt gewesen sei, dass die Eheleute wieder zusammenkommen würden.
Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen beruht somit die depressive Episode auch nicht auf einer besonderen Disposition des Klägers, vielmehr auf der Tatsache, dass der Kläger aufgrund seiner einfach strukturierten Persönlichkeit und seiner histrionischen Persönlichkeitsakzentuierung psychisch mit dem Trauerfall nicht besser umgehen konnte.
Eine derartige psychische Beeinträchtigung, die durch den Unfalltod der - wenn auch getrennt lebenden, was der Kläger als solches aber nicht wahrnehmen wollte - Ehefrau hervorgerufen wird, ist nicht etwas derart Ungewöhnliches und Fernliegendes, dass sie hier als Teil des allgemeinen Lebensrisikos des Geschädigten angesehen werden müsste und deshalb außerhalb des Haftungszusammenhangs, für den der Schädiger einzustehen hat, stehen würde. Vielmehr ist es ohne Weiteres nachvollziehbar, dass ein einfach strukturierter Mensch, der mit dem Unfalltod seiner Ehefrau konfrontiert wird, mangels anderer psychischer Kompensationsmöglichkeiten mit der Entwicklung einer depressiven Episode reagiert.
Der Sachverständige Prof. Dr. . hat bei seiner mündlichen Befragung auch nicht etwa angegeben, eine derartige Entwicklung sei völlig atypisch, er hat lediglich angegeben, er gehe davon aus, dass sie eher selten vorkomme. Das reicht jedoch nicht aus, um den Zurechnungszusammenhang zu verneinen. Eine Haftungsbeschränkung kommt daher weder unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Zurechenbarkeit in Betracht, noch liegt die Erkrankung des Klägers außerhalb des Schutzzwecks der Norm.
Nach alledem haben die Beklagten auch für die Folgen der depressiven Episode des Klägers einzutreten.
Dies betrifft zum einen den Verdienstausfall des Klägers. Der Sachverständige Prof. Dr. F. hat bestätigt, dass der Kläger in der von ihm geltend gemachten Zeit, nämlich vom 19.09.2003 bis zum 7. März 2005 arbeitsunfähig war. Dem folgt das Berufungsgericht, zumal der Kläger in dieser Zeit auch Krankengeld bezogen hat. Für diese Zeit steht dem Kläger entgangener Verdienst i. H. v. EUR 12.021,13 zu, der sich wie folgt errechnet:
In Abänderung des landgerichtlichen Urteils war dem Kläger daher der oben errechnete Verdienstausfall nebst Zinsen zuzusprechen. Soweit der Kläger einen weitergehenden Verdienstausfall geltend gemacht hat, war die Klage abzuweisen und die Berufung zurückzuweisen. Die höhere Berechnung des Klägers basiert ersichtlich darauf, dass dieser zunächst nur vom Einkommen der letzten drei Monate ausgegangen war und die Zahlungen der Krankenkasse zu niedrig angesetzt hatte.
Der Kläger hat weiter Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, das das Berufungsgericht mit EUR 3.000,00 bemisst. Dabei war zum einen zu berücksichtigen, dass den Kläger der Tod seiner Ehefrau schwer getroffen hat und er deshalb daraufhin zunächst eine akute Belastungsreaktion erlitten hat und zum anderen über einen längeren Zeitraum hinweg an einer depressiven Episode mit der Folge der Arbeitsunfähigkeit erkrankt war. Unter Billigkeitsgesichtspunkten war allerdings auf der anderen Seite auch zu berücksichtigen, dass der Kläger den Unfalltod seiner Ehefrau nicht selbst miterlebt hat und von dieser bereits seit mehreren Monaten getrennt gelebt hatte, so dass zum Zeitpunkt des Unfalltodes eine eheliche Gemeinschaft nicht bestand. Zu berücksichtigen war auch, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen die depressive Episode mit der besonderen Persönlichkeit des Klägers zu erklären ist, der zwar keine Disposition für die Ausbildung einer psychischen Erkrankung hatte, aber doch wegen besonderer Umstände wie der einfach strukturierten Persönlichkeit und der histrionisch akzentuierten Persönlichkeit mit sehr geringen kognitiven Möglichkeiten derart schwer auf den Tod der Ehefrau reagierte. Diese Gesichtspunkte sind anspruchsmindernd zu berücksichtigen (vgl. dazu Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., 30 Rn. 14, 15). Nach alledem erscheint ein Schmerzensgeld i. H. v. EUR 3.000,00 nebst Zinsen angemessen, aber auch ausreichend. Dieser Betrag entspricht dem, was allgemein an Schmerzensgeld für derartige psychische Beeinträchtigungen zugesprochen wird (vgl. dazu Geigel/Pardey, Kap. 7 Rn. 72 f.). Soweit der Kläger ein höheres Schmerzensgeld begehrt, war die Klage ab- und die Berufung zurückzuweisen.
Das Urteil des Landgerichts Mosbach war somit, wie aus dem Tenor ersichtlich, abzuändern. Die Kostenentscheidung beruht auf 91, 92, 97, 100 Abs. 2 ZPO, bezüglich der ersten Instanz zusätzlich auf 93 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus 708 Ziff. 10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision ( 543 ZPO) sind nicht gegeben.
Verkehrssicherungspflicht für Parkplatz
OLG Saarbrücken
Az: 4 U 400/10 - 119
Urteil vom 18.10.2011
Leitsatz: Der Betreiber eines Supermarktes haftet vertraglich für die Verkehrssicherungspflichtverletzung durch einen mit Räumarbeiten beauftragten Unternehmer als Erfüllungsgehilfen infolge unterbliebener Beseitigung einer vereisten Rinne. Der Geschädigte muss sich unter Umständen ein Mitverschulden anrechnen lassen.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 06.08.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (3 O 393/09) abgeändert und die Beklagte verurteilt,
1. an die Klägerin 7.500,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen,
2. an die Klägerin weitere 1.525,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen,
3. an die Klägerin außergerichtliche Kosten in Höhe von 588,88 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 48 % und die Beklagte zu 52 %.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten wegen Schmerzensgeld und Schadensersatz aus einem im Einzelnen streitigen Vorfall am 24.01.2009 auf dem Kundenparkplatz des von der Beklagten in der W. 13 in N. betriebenen R.M. (Bl. 2 d. A.).
Der Ehemann der Klägerin befuhr mit dieser zusammen als Beifahrerin gegen 10.00 Uhr morgens das Parkplatzgelände und parkte das von ihm geführte Fahrzeug in einer dafür vorgesehenen, auf dem Parkplatzgelände markierten Parkfläche. Nachdem die Klägerin das Fahrzeug verlassen und die Beifahrertür geschlossen hatte, kam sie nach wenigen Schritten auf dem Parkplatzgelände zu Fall. Bei dem Sturz brach sich die Klägerin den Ellenbogen des rechten Armes (Bl. 2 d. A.).
Ihr mussten vier Schrauben eingesetzt werden und sie blieb 14 Tage lang stationär im Krankenhaus. Ferner trug sie 14 Tage lang eine Oberarmgipsschiene. Im Zeitraum bis zum 20.04.2009 hatte sie acht Behandlungstermine wahrzunehmen. Eine Arbeitsunfähigkeit über mehrere Monate trat ein. Im Rahmen einer Operation wurden am 11.08.2009 die Schrauben entfernt. Schließlich folgte am 29.06.2010 eine weitere Nachoperation, bei der eine Titanplatte aus dem rechten Arm entfernt wurde (Bl. 3 d. A.). Gleichwohl verblieb bei der Klägerin eine Beugefähigkeitseinschränkung des rechten Ellenbogens. Ferner traten Taubheitsgefühle in den Fingern der rechten Hand sowie Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit der Finger der rechten Hand auf, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 % begründen (Bl. 4 d. A.). Die Klägerin war 3 Monate bis zur Gutachtenerstellung und danach weitere 3 Monate lang voll arbeitsunfähig. Zusätzlich wurde eine Dauerkrankengymnastik durchgeführt (Bl. 3 d. A.).
Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von mindestens 15.000,-- EUR geltend. Ferner begehrt sie einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 2.300,-- EUR sowie eine allgemeine Unkostenpauschale in Höhe von 25,-- EUR.
Mit Schreiben vom 26.08.009 forderte die Klägerin von der Beklagten einen Schmerzensgeldvorschuss, ohne dass hierauf seitens der Beklagten Zahlungen geleistet worden wären.
Die Klägerin hat behauptet, unmittelbar neben dem von ihrem Ehemann abgestellten Fahrzeug habe sich eine vereiste Fläche gebildet gehabt. Auf dieser sei sie glättebedingt zu Fall gekommen.
Die Beklagte sei dagegen der ihr obliegenden Streu- und Räumpflicht nicht nachgekommen. Eine Übertragung auf einen Dritten ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht. Insbesondere ergebe sich aus diesen nicht, dass gerade auch der Parkplatzbereich Bestandteil der übertragenen Aufgaben gewesen sie. Da es sich um eine größere Pfütze gehandelt habe, hätte sie der Zeuge K. bei einer Überprüfung der Örtlichkeit am Unfalltag nicht übersehen können. Sofern eine Übertragung tatsächlich stattgefunden habe, habe jedenfalls keine ordnungsgemäße Überwachung stattgefunden.
Da der Wetterbericht überfrierende Nässe gemeldet habe und der Parkplatzbereich lediglich 50 Meter von der Blies entfernt liege, sei zudem eine besondere Gefahrenquelle gegeben gewesen. Auf Grund der konkreten örtlichen Gegebenheiten, insbesondere des vorhandenen Abflussschachtes in der Nähe der von dem Ehemann der Klägerin gewählten Parkfläche, befinde sich dort auch bei auftretendem Regen stets Wasser, woraus ebenfalls eine besondere Gefahrenquelle resultiere.
Auf Grund der eingetretenen Verletzungen und der daraus resultierenden Dauerfolgen stehe ihr, der Klägerin, zumindest ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,-- EUR zu (Bl. 4 d. A.).
Sie sei ferner nach dem Sturz völlig außer Stande gewesen, im Haushalt irgendetwas zu tun. Über einen Zeitraum von 14 Tagen seien täglich vier Stunden Hilfeleistung erforderlich gewesen, um die von drei Personen bewohnten 180 qm große Wohnfläche in Ordnung zu halten. In den 14 Tagen seien somit insgesamt 56 Stunden Hilfeleistung erforderlich gewesen. Ferner sei bis Ende August pro Woche ein Aufwand von weiteren 6 Stunden Hilfeleistung erforderlich gewesen. Unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 10,-- EUR seien somit insgesamt 2.300,-- EUR Haushaltsführungsschaden entstanden (Bl. 4 d. A.). Auch bis Ende August sei die Klägerin auf fremde Hilfe angewiesen gewesen (im Einzelnen Bl. 5 d. A.). Darüber hinaus habe sie, die Klägerin, Anspruch auf die allgemeine Unkostenpauschale in Höhe von 25,-- EUR (Bl. 5 d. A.). Bezüglich des Klageantrags zu 2) ergebe sich daher eine Gesamtforderung von 2.325,-- EUR (Bl. 5 d. A.)
Ferner seien vorgerichtliche Gebühren in Höhe einer 1,5 Gebühr gemäß 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG aus einem Streitwert von 17.325,-- EUR zuzüglich einer Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG sowie 5,00 EUR für Ablichtungen jeweils zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG angefallen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen,
2. die Beklagte des Weiteren zu verurteilen, an die Klägerin 2.325,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen und
3. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, der Klägerin ihre vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.111,46 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, sie habe die Streu- und Räumpflicht auf die Fa. Garten- und Landschaftspflege K.,20 in W. übertragen. Übertragen worden sei insbesondere die Verpflichtung, bei Schneefall den Parkplatz zu räumen sowie bei Glätte zu streuen (Bl. 35 d. A.).
Der Inhaber der Firma K. sei am 24.01.2009 persönlich am Markt gewesen und habe überprüft, ob auf dem Parkplatz Glätte geherrscht habe. Dort sei keine Glätte festgestellt worden (Bl. 34 ff d. A.). Seit dem Beginn des Vertrages am 01.11.2007 sei es zu keinen Beanstandungen gegenüber dem von ihr, der Beklagten, beauftragten Dienstleister gekommen (Bl. 37 d. A.). Der Parkplatz sei zum Zeitpunkt der Überprüfung im Wesentlichen trocken gewesen, eine Gefahr für Kunden sei nicht feststellbar gewesen.
Die Verletzungen der Klägerin rechtfertigten kein über 6.000,-- EUR hinausgehendes Schmerzensgeld (zu den Verletzungen im Einzelnen: Bl. 37 f d. A.). Die von der Klägerin behaupteten Beeinträchtigungen hinsichtlich der Haushaltsführung sowie die dargestellten zeitlichen Rahmen hinsichtlich der Durchführung der Arbeiten hat die Beklagte bestritten (Bl. 39 d. A.). Die Angemessenheit der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskoten hat die Beklagte ebenfalls bestritten (Bl. 40 d. A.).
Mit dem am 16.08.2010 verkündeten Urteil (Bl. 139 d. A.) hat das Landgericht Saarbrücken nach Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugen E.K. (Bl. 67 d. A.), A.M. (Bl. 69 d. A.), S.P. (Bl. 91 d. A.) und F. K. (Bl. 124 d. A.) - die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt gemäß 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Die Klägerin ist der Ansicht, es sei widersprüchlich, dass das Landgericht zunächst eine Beweisaufnahme zum Schadenshergang durchgeführt, dann aber ausgeführt habe, dass die Beklagte wegen der Übertragung der Verkehrssicherungspflicht nicht hafte. Darüber hinaus sei das Landgericht nicht darauf eingegangen, dass die Beklagte sich wegen ihrer Haftung aus culpa in contrahendo nicht von der Eigenhaftung durch Übertragung der Verkehrssicherungspflicht habe befreien können (Bl. 167 d. A.).
Es sei keine wirksame Übertragung der Verkehrssicherungspflichten auf die Fa. K. erfolgt. Die Beklagte habe insoweit lediglich eine Auftragsbestätigung vorgelegt, aus der sich nicht ergebe, welcher A.-Markt von dieser betroffen sei und wo, wann, welche Streuarbeiten durchzuführen seien. Der Zeuge K. habe sich die nicht gegengezeichnete Auftragsbestätigung selbst ausgestellt. Diese enthalte auch keine Pflicht zum Abschluss einer eigenen Haftpflichtversicherung durch die beauftragte Firma (Bl. 168 d. A.).
Unstreitig habe es eine schriftliche Verlängerung des Auftrags für den darauffolgenden Winter nicht gegeben. Es sei auch keine einseitige Verlängerung durch den Zeugen K. möglich und es sei keine entsprechende Abrede zwischen diesem und der Beklagten vorgetragen. Es sei noch nicht einmal klar, wann die Beklagte den A.-Markt übernommen habe und wann der Zeuge . tatsächlich zu ihrem Geschäftspartner geworden sei. Eine Rechnung aus der sich ergebe, wann der Zeuge vor Ort im Einsatz gewesen sei, habe die Beklagte nicht vorgelegt (Bl. 168 d. A.).
Nach den eigenen Angaben des Zeugen . sei dieser wahrscheinlich schon vor 7.00 Uhr morgens vor Ort gewesen. Der Unfall habe sich aber erst gegen 10.00 Uhr ereignet. Die mit dem Zeugen geschlossene Vereinbarung galt zu dieser Zeit aber nicht mehr, da dieser nach eigenen Angaben nur noch auf Anforderung habe tätig werden sollen. Ein selbstständiges Tätigwerden des Zeugen sei nur bei spontan einsetzendem Schnellfall erforderlich gewesen, was aber am Unfalltag nicht der Fall gewesen sei. Mit Geschäftseröffnung habe ferner die Beklagte die Verkehrssicherungspflicht wieder selbst übernommen (Bl. 169 d. A.). Da an der Unfallstelle eine gefrorene Abwasserrinne vorhanden gewesen sei, hätte der Geschäftsführer der Beklagten diese Gefahrenquelle selbst morgens überwachen müssen. Da er dies nicht getan habe, liege eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor. Auf eine Übertragung derselben könne sich die Beklagte nicht berufen (Bl. 169 d. A.).
Die Beklagte habe dem Zeugen K. im Herbst 2009 ein Schreiben geschickt, wonach der den Auftrag nicht habe weiterführen sollen. Eine stillschweigende Vertragsverlängerung habe es nie gegeben (Bl. 206 d. A.).
Die Haftung der Beklagten ergebe sich auch aus 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Durch das Befahren des Parkplatzes, um im Markt der Beklagten einzukaufen, sei zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Vertragsschluss angebahnt worden. Die Beklagte habe aber durch das Unterlassen des Abstreuens des Gefahrenbereichs, den die Beklagte nach dem Aussteigen benutzt habe, gegen ihre Verpflichtung, die Gesundheit der Klägerin nicht zu gefährden, verstoßen. Für ein Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen hafte die Beklagte nach Maßgabe des 278 BGB. Allerdings sei fraglich, ob der Zeuge K. Erfüllungsgehilfe gewesen sei, da ihm im Innenverhältnis mit der Beklagten keine Streupflicht oblegen habe. Daher liege eine Eigenhaftung der Beklagten vor (Bl. 169 d. A.).
Als der Zeuge . um 7.00 Uhr vor Ort gewesen sei, sei es noch nicht glatt gewesen, da der Zeuge die Stelle nicht abgestreut habe, wohl aber zum Unfallzeitpunkt. Daher müsse sich die Glätte nach dem Kontrolltermin durch den Zeugen gebildet haben. Es sei Sache der Beklagten gewesen, die Abwasserrinne abzustreuen oder wenigstens abzusperren (Bl. 170 d. A.).
Wegen des betriebenen Aufwands sei auch eine vorgerichtliche 1,5 Geschäftsgebühr zu ersetzen (Bl. 170 d. A.).
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. an die Klägerin, ein in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2010 zu zahlen,
2. an die Klägerin des Weiteren 2.325,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen,
3. der Klägerin ihre vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.111,46 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Die Beklagte ist der Ansicht, es lägen gemäß 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO keine Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichts geböten (Bl. 199 d. A.).
Die Zweifel der Klägerin an der Absprache zwischen der Beklagten und dem Zeugen K. seien bloß haltlose Vermutungen. Der fehlende Abschluss einer Haftpflichtversicherung stehe dem nicht entgegen (Bl. 199 d. A.).
Die Auftragsbestätigung des Zeugen K. beziehe sich auf den in Neunkirchen. Da es in . nur einen .gebe, sei klar, worauf sich die Absprache beziehe. Die mündliche verlängerte Auftragsbestätigung umfasse auch den Kundenparkplatz. Die Umbenennung des Marktes sei unerheblich. Der Zeuge . sei im Übrigen am Unfalltag an der Örtlichkeit gewesen (Bl. 200 d. A.).
Die rechtlichen Ausführungen zu einer Haftung aus 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB lägen neben der Sache (Bl. 200 d. A.). Zwar sei seitens der Klägerin durch das Befahren des Parkplatzes ein Vertrag angebahnt worden. Jedoch habe die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht wirksam auf die Fa. K. übertragen. Diese sei Erstgarant für die Verkehrssicherungspflicht auf dem Parkplatz der Beklagten gewesen, nicht aber deren Erfüllungsgehilfe i. S. d. 278 BGB. Die Fa. K. sei nicht im Pflichtenkreis der Beklagten tätig geworden, sondern habe die "allgemeine Verkehrssicherungspflicht" als Obliegenheit übernommen. Andernfalls könne man sich der Verkehrssicherungspflicht nicht durch Übertragung entziehen (Bl. 201 d. A.). Allenfalls würde der Übernehmer haften, wofür ein faktisches Einverständnis genüge und keine wirksame vertragliche Vereinbarung erforderlich sei (Bl. 202 d. A.). Ein Haftungsausschluss der Beklagten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wäre gemäß 309 Nr. 7a BGB unwirksam (Bl. 207 d. A.). Der Zeuge K. könne sich daher nicht von der Haftung freizeichnen (Bl. 207 d. A.).
Eine unterlassene Anforderung des Zeugen K. lasse die Überwachungs- und Kontrollpflichten nicht auf die Beklagte zurückschlagen. Diese Pflichten seien auch der Sache nach nicht verletzt (Bl. 202 d. A.). Die am Kanal installierte Wasserpumpe müsse nicht den ganzen Tag überwacht werden. Jedenfalls hätte die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass der Zeuge K. die Glättestelle bei entsprechender Witterung um 7.00 Uhr abstreuen würde (Bl. 202 d. A.). Am fraglichen Morgen habe keine allgemeine Glätte geherrscht und es habe daher nicht gestreut werden müssen. Die Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass der Zeuge K. den Parkplatz am Morgen kontrolliert habe (Bl. 203 d. A.). Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, während der gesamten Dauer des Geschäftsbetriebs eine Person abzustellen, die den Parkplatz permanent überwache. Insbesondere hätten geringfügige Temperaturschwankungen nicht total überwacht werden müssen. Beanstandungen hinsichtlich der Aufgabenerfüllung des Zeugen K. habe es nicht gegeben (Bl. 203 d. A.).
Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrages sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 12.04.2010 (Bl. 65 d. A.), vom 07.06.2010 (Bl. 90 d. A.), vom 09.08.2010 (Bl. 123 d. A.), vom 06.09.2010 (Bl. d. A.) und des Senats vom 06.09.2011 (Bl. 235 d. A.) das Protokoll vom 09.08.2010 sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 16.08.2010 (Bl. 139 d. A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus 280 Abs. 1 BGB i. V. m. 311 Abs. 2 Nr., 241 Abs. 1 u. 2, 249, 253 BGB.
1.
Die Beklagte haftet dem Grunde nach aus 280 Abs. 1 BGB i. V. m. 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 1 u. 2 BGB.
a)
Zwischen der Klägerin und dem Beklagten ist gemäß 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein Schuldverhältnis durch die Anbahnung eines Vertrages zu Stande gekommen, bei dem der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut.
Ein solches Schuldverhältnis kommt regelmäßig durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder vergleichbaren geschäftlichen Kontakten zu Stande, wodurch die potentiellen Vertragspartner im Rahmen einer schuldrechtlichen Sonderverbindung zur Sorgfalt und gegenseitigen Schutz verpflichtet werden (vgl. BGHZ 66, 54; Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 70. Auflage, 311 BGB, Rdn. 11).
Schon vor dem Beginn von Vertragsverhandlungen entsteht das Schuldverhältnis, wenn eine der Parteien der anderen zur Vorbereitung eines Vertragsschlusses die Möglichkeit zur Einwirkung auf ihre Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihr diese anvertraut. 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB erfasst vor allem die Fälle, in denen ein potentieller Kunde das Geschäftslokal des Unternehmers aufsucht. Der Schutz beginnt dann schon regelmäßig mit dem Erreichen des Eingangsbereichs der Verkaufsräume (vgl. BGH, NJW 1962, 32; Palandt-Heinrichs, aaO., 311 BGB, Rdn. 17). Voraussetzung ist, dass der Kunde die Räume zur Anbahnung geschäftlicher Kontakte betritt. Der Schutz erstreckt sich dabei auch auf Begleitpersonen (vgl. BGHZ 66, 51 (54); Palandt-Heinrichs, aaO., 311 BGB, Rdn. 17).
Vorliegend hat die Klägerin unstreitig zusammen mit ihrem Ehemann den Parkplatz des R.M. in N. aufgesucht, um in diesem Supermarkt einzukaufen. Daher ist bereits zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin sich auf den Parkplatz begeben hat, spätestens dann, als sie das Auto verlassen hat, um von dort aus zu Fuß den Einkaufsmarkt selbst aufzusuchen, ein vorvertragliches Schuldverhältnis zu Stande gekommen. In einer solchen Situation ist der potenzielle Kunde genauso schutzwürdig, wie wenn er nach Betreten des eigentlichen Einkaufsmarktes verunglückt. Dies folgt daraus, dass die Einwirkungsmöglichkeiten des Betreibers des Marktes auf dem Parkplatz nicht minder intensiv sind als in den eigentlichen Geschäftsräumen.
b)
Durch das hierdurch entstehende Schuldverhältnis werden die Parteien im Rahmen des 241 BGB verpflichtet, wobei die nach dem früheren gewohnheitsrechtlich anerkannten Institut der culpa in contrahendo (c. i. c.) von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze fortgelten (vgl. Palandt-Heinrichs, aaO., 311 BGB, Rdn. 14). Das vorvertragliche Schuldverhältnis begründet zwar keine primären Leistungspflichten, jedoch gemäß 241 Abs. 2 BGB die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Dies umfasst insbesondere die Pflicht, den anderen Teil vor vermeidbaren Schäden zu bewahren (vgl. Palandt-Heinrichs, aaO., 311 BGB, Rdn. 21).
Bereits während der Vertragsanbahnung besteht die Verpflichtung, sich so zu verhalten, dass Körper, Leben, Eigentum und sonstige Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden (vgl. Palandt-Heinrichs, aaO., 311 BGB, Rdn. 33). Die Verletzung dieser Pflicht begründet neben der deliktischen Haftung gemäß 823 ff BGB einen Anspruch aus c. i. c. (vgl. Palandt-Heinrichs, aaO., 311 BGB, Rdn. 33).
Daher war die Beklagte als Betreiberin des R.M. verpflichtet, alles Erforderliche zum Schutz der Rechtsgüter der Klägerin, insbesondere von deren Körper und Gesundheit zu unternehmen.
c)
Die sich aus diesem Schuldverhältnis ergebenden Pflichten der Beklagten wurden gemäß 280 Abs. 1 BGB objektiv verletzt (vgl. hierzu Palandt-Heinrichs, aaO., 311 BGB, Rdn. 21).
Dies folgt daraus, dass die Beklagte objektiv die sie treffende Pflicht, die Klägerin vor Glatteisunfällen zu schützen, verletzt hat, indem sie ihrer Räum- und Streupflicht nicht Genüge getan hat. Bei winterlichen Straßenverhältnissen besteht neben der Pflicht zum allgemeinen Winterdienst eine eigentliche Räum- und Streupflicht als Teil der Verkehrssicherungspflicht (vgl. Geigel-Wellner, Der Haftpflichtprozess, 26. Auflage, 14. Kap., Rdn. 132). Die Räum- und Streupflicht als Verkehrssicherungspflicht besteht nur insoweit, als entsprechende Maßnahmen erforderlich sind, um sonst unmittelbar drohende Gefahren abzuwenden (vgl. Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 132). Die Räum- und Streupflicht kann sich dabei aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften i. S. einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ergeben (vgl. Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 132).
Besondere Verkehrssicherungspflichten können sich jedoch auch aus einer schuldrechtlichen Sonderbeziehung wie einem Vertragsanbahnungsverhältnis gemäß 311, 241 BGB folgen (vgl. OLG München, Urt. v. 23.08.2007 1 U 3222/07, juris Rdn. 3; OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 1282, juris Rdn. 19 für das Betreuungsverhältnis; AG Siegburg Urt. v. 05.08.2009 - 118 C 496/08, juris Rdn. 22; LG Wiesbaden, Urt. v. 30.09.2010 - 9 O 318/09, juris Rdn. 16). Gegebenenfalls ergeben sich aus einer derartigen Sonderbeziehung sogar weitergehende Schutzpflichten als die allgemeine Verkehrssicherungspflicht.
d)
Diese Streupflicht wurde bezüglich des R.M. objektiv verletzt.
Streupflichten gelten auf öffentlichen und solchen privaten Wegen, die entweder dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind oder auf denen der Eigentümer einen allgemeinen Verkehr eröffnet hat (vgl. Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 133).
Die Streupflicht bedeutet nicht, dass die Wege bei eintretender Winterglätte derart zu bestreuen sind, dass ein Verkehrsteilnehmer oder ein Fahrzeug überhaupt nicht ausgleiten kann. Vielmehr müssen die Wege nur derart bestreut werden, dass sie von den Verkehrsteilnehmern ohne Gefahr genutzt werden können, wenn auch der Verkehrsteilnehmer die erforderliche Sorgfalt anwendet. (vgl. Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 147).
Die Streupflicht setzt allgemeine Glättebildung und nicht nur vereinzelte Glättestellen voraus. Für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht trägt der Verletzte die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, NJW 2009, 3302; Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 147).
Die Reihenfolge der Räum- und Streupflicht richtet sich insbesondere nach der Wichtigkeit, wobei die Verkehrsbedeutung des Weges und der Umfang von dessen üblicher Benutzung zu berücksichtigen sind (vgl. Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 147).
Ansonsten sind für den Umfang der Räum- und Streupflicht die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, wobei nicht primär auf die Intensität der Niederschläge abzustellen ist (z. B. Starker Schnee- und Graupelregel), sondern auf die Glättebildung (vgl. OLG Zweibrücken, r+s 1993, 459; Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 148). Außergewöhnliche Glätteverhältnisse erfordern besondere Sicherungsmaßnahmen, etwa mehrmaliges Streuen (vgl. BGH, VersR 1985, 90; Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 148).
Eine Streupflicht besteht neben öffentlichen Parkplätzen auch auf Gäste- und Kundenparkplätzen (vgl. BGH, NJW 1983,162; OLG Celle, VersR 1995, 598; Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 159; Palandt-Sprau, aaO., 823 BGB, Rdn. 224). Dies gilt bei Kundenparkplätzen vor Lebensmittelmärkten auch, wenn diese eine geringe Verkehrsbedeutung haben (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1992, 847; OLG Düsseldorf 2000, 519; Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 159). Etwas anderes kann vor Geschäftseröffnung gelten (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 2000, 1381; Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 159).
Im streitgegenständlichen Fall war der von der Beklagten betriebene Parkplatz zwar nicht gänzlich vereist und es ist nach den Aussagen der Zeugen K. und M. (Bl. 67 u. 69 d. A.) davon auszugehen, dass es an dem Unfallmorgen nicht geregnet oder geschneit hat, so dass die Zeugen auch wenn sie sich an die Witterungsverhältnisse im Einzelnen nicht mehr erinnern konnten jedenfalls bekundet haben, dass sie in ihren jeweiligen Heimatanwesen nicht räumen und streuen mussten. Dies entspricht auch dem meteorologischen Bericht vom 24.09.2009 (Bl. 41 d. A.), wonach allerdings örtlich mit überfrierender Nässe zu rechnen war.
Letztlich entscheidend ist jedoch, dass auf dem Parkplatzgelände in der Nähe eines Abflussschachtes, durch den mittels einer Pumpe Wasser aus der Blies abgepumpt wurde, unweit der Stelle, an der der Ehemann der Klägerin geparkt und die diese nach dem Aussteigen zu Fuß betreten hat auf dem Boden Wasser vorhanden war, welches in Folge der Minustemperaturen überfroren war, wodurch sich Glätte gebildet hatte. Dies haben ebenfalls die Zeugen K. und M. bestätigt, die entsprechende Glätte wahrgenommen haben, wenngleich ansonsten keine Glättebildung auf dem Parkplatz zu bemerken war. Auch die Klägerin selbst hat die Glätte nicht bemerkt, sondern lediglich offensichtlich über dieser vorhandene Nässe.
Bei einer solchen Sachlage indes ist der Betreiber eines Parkplatzes gehalten, der besonderen Gefahrenlage durch die Bildung überfrierender Nässe im Bereich der Rinne durch entsprechende Streumaßnahmen mindestens aber durch Warnhinweise oder Absperrungen Rechnung zu tragen. Bei einer solchen isoliert auftretenden Stelle besonderer Glätte handelt es sich nämlich um eine außergewöhnliche Gefahr, da gerade bei ansonsten unauffälliger Witterungslage unbedarfte Fußgänger von einem erhöhten Risiko betroffen werden, unvermittelt zu stürzen. Daher war die Beklagte verpflichtet, entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Dies galt jedenfalls während der üblichen Geschäftszeiten, da zu diesen jederzeit mit entsprechendem Publikumsverkehr zu rechnen war, für den Gefahren auftreten könnten.
e)
Die Beklagte hat ihre entsprechende vertragliche Verpflichtung auch nicht wirksam auf die Fa. . übertragen.
Verkehrssicherungspflichtig ist grundsätzlich der Eigentümer des jeweiligen Anwesens. Notfalls muss er dafür sorgen, dass die Pflichten durch einen anderen wahrgenommen werden (vgl. BGH, VersR 1970, 182; Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 165).
Die Räum- und Streupflicht kann jedoch durch Vertrag auf einen Dritten, etwa eine Reinigungsfirma, übertragen werden (vgl. Palandt-Sprau, aaO., 823 BGB, Rdn. 50 u. 229). In diesem Fall haftet dieser deliktisch an Stelle des Pflichtigen, während aber letzteren Überwachungs- und Kontrollpflichten treffen (vgl. BGH, NJW-RR 1989, 394; Palandt-Sprau, aaO., 823 BGB, Rdn. 50 u. 229; Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 165). Eine Übertragung setzt in jedem Fall eine klare Absprache voraus, die eine Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sicherstellt (vgl. BGH, NJW 1996, 2646; OLG Hamm, VersR 2000, 862; Palandt-Sprau, aaO., 823 BGB, Rdn. 50). Im Übrigen wird durch die Übertragung eine Haftung im Rahmen eines Schuldverhältnisses nicht umfassend ausgeschlossen werden. Vielmehr haftet der Schuldner auch bei Einschaltung einer Hilfsperson nach 278 BGB für dessen Verschulden (vgl. Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 165). Insoweit kommt also nicht nur eine Haftung gemäß 823 BGB oder gemäß 831 BGB in Betracht, so dass insbesondere der Entlastungsbeweis dem Schuldner abgeschnitten ist.
Vorliegend hat die Beklagte durch die Vereinbarung vom 09.11.2007 (Bl. 47 d. A.) zur Erfüllung ihrer Räum- und Streupflicht die Fa. K. eingeschaltet. Aus der entsprechenden Auftragsbestätigung ergibt sich, dass der damals vor der Übernahme durch die Fa. R. noch als A.-Markt bezeichnete Einkaufsmarkt hinreichend deutlich bezeichnet wurde. Auch wurden Art und Umfang der durchzuführenden Räum- und Streuarbeiten sowie der Zeitraum vor Ladeneröffnung und während der üblichen Geschäftszeiten ausreichend deutlich gemacht. Außerdem war klar geregelt, dass je nach Witterungsverhältnissen ein erneuter Einsatz nach Anforderung durch die Marktleitung erfolgen sollte. Der Zeuge K. hat dies auch eindeutig, nachvollziehbar und glaubhaft bestätigt, wobei der Pflichtenumfang hieraus deutlich wird. Dabei hat der Zeuge auch bekundet, dass zu den Arbeiten auch solche im Bereich des Gehwegs sowie auf dem Parkplatzgelände an den Öffnungstagen der Filiale zählten. Im Vertrauen hierauf hat die Beklagte eigene Arbeiten unterlassen, da sie sich auf die Tätigkeit der Fa. K. verlassen hat. In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob und wann die entsprechende Vereinbarung mündlich verlängert wurde, da sie jedenfalls zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls unstreitig noch bestand.
Jedoch konnte die Beklagte ihre Pflichten dadurch nicht auf die Fa. K. als auf einen "Erstgaranten" vollständig übertragen, sondern allenfalls die Haftung aus Delikt. Dies gilt selbst dann, wenn man unterstellt, dass die Beklagte ihrer Überwachungs- und Kontrollpflicht durch die Vereinbarung, dass die Fa. K. bei Bedarf erneut zu dem Markt gerufen werden sollte, in ausreichendem Maß nachkam, und auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass es mit dieser bislang keine Probleme gegeben hatte. Insoweit kann die Beklagte nämlich keinen Entlastungsbeweis führen, da insoweit 831 BGB nicht anwendbar ist, sondern 278 BGB, weil die Fa. K. als Erfüllungsgehilfin anzusehen ist. Dass sich der Verpflichtete aus diesem Grund nicht seiner Haftung entziehen kann, ist jedenfalls innerhalb schuldrechtlicher Sonderbeziehungen vom Gesetz gewollt.
Da vorliegend an der bezeichneten Stelle besonderer Glätte unstreitig nicht gestreut war und auch keine anderen Sicherungsmaßnahmen ergriffen worden waren, steht somit eine objektive Pflichtverletzung fest.
f)
Diese Pflichtverletzung war ferner für den durch die Klägerin erlittenen Unfall ursächlich.
Die Tatsache, dass ein Verkehrsteilnehmer gestürzt ist, begründet für sich allein zwar nicht den Beweis des ersten Anscheins für die Verletzung der Streupflicht durch den Streupflichten, denn die Lebenserfahren lehrt, dass Unfälle in Folge Winterglätte auch auf Wegen vorkommen, die genügend gestreut sind (vgl. BGH, VersR 1983, 162; OLG Hamm, zfs 2000, 97; Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 147). Steht indes die Verletzung der Streupflicht fest, so begründet diese den Anscheinsbeweis dafür, dass die Pflichtwidrigkeit für einen an der betreffenden Stelle in Folge der Glätte eingetretenen Unfall ursächlich geworden ist (vgl. OLG Hamm, zfs 2000, 97; Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 147).
Da vorliegend unstreitig ist, dass die Rinne auf dem Parkplatz der Beklagten vereist war und keine Räum- und Streumaßnahmen ergriffen worden waren, besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass sich auch der Sturz der Klägerin nicht nur im räumlichen Bereich, sondern gerade auch wegen der Glätte ereignet hat. Dies bestreitet die Beklagte auch nicht ernsthaft.
g)
Die Beklagte hat diese Pflichtverletzung sowohl gemäß 276 BGB als auch gemäß 278 BGB zu vertreten.
Zum einen hat der für die Beklagte tätige Marktleiter gemäß 276 Abs. 1 Satz 1 u. 2 BGB fahrlässig gehandelt. Dies folgt daraus, dass er das Gelände des R.M. selbst hätte selbst überwachen müssen, wobei er die besondere Glätte im Bereich der Rinne festgestellt hätte. Sodann hatte der Marktleiter geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen müssen, insbesondere dafür sorgen, dass die Gefahrenstelle abgestreut oder abgesperrt worden wäre, wodurch der streitgegenständliche Unfall verhindert worden wäre. Dagegen durfte der Marktleiter sich, wie oben dargelegt, nicht einfach auf die Tätigkeit der Fa. K. verlassen. Zumindest hätte er diese anweisen müssen, bezüglich der vereisten Rinne gezielt Maßnahmen zu ergreifen. Das Verschulden des Marktleiters ist der Beklagten gemäß 31, 89 BGB zuzurechnen, da dieser für die Beklagte in leitender Funktion tätig und daher vergleichbar einem Vorstandsmitglied - als deren Repräsentant anzusehen ist (vgl. Geigel-Knerr, aaO., 33. Kap., Rdn. 11 m. w. N.).
Zum anderen haftet der Schuldner aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis neben eigenem Verschulden gem. 276 BGB auch für die Tätigkeit eines Erfüllungsgehilfen gemäß 278 BGB (vgl. BGHZ 104, 397; Palandt-Heinrichs, aaO., 311 BGB, Rdn. 22), hier für das Verschulden der Fa. K.. Die Haftung erstreckt sich dabei auf das Handeln aller Personen, derer sich der Geschäftsherr im Anwendungsbereich seines Pflichtenkreises bedient, insbesondere auf das sorgfältige Verhaltens während der Anbahnung und des Abschlusses des Vertrags (vgl. Palandt-Heinrichs, aaO., 311 BGB, Rdn. 22 m. w. N.).
Für das Vertretenmüssen trägt gemäß 280 Abs. 1 Satz 2 BGB der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Palandt-Heinrichs, aaO., 280 BGB, Rdn. 34 u. 311 BGB, Rdnr. 23).
Vorliegend hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt und bewiesen, dass der Inhaber der Fa. K. nicht schuldhaft gehandelt hat, insbesondere weil ihm trotz entsprechender Überprüfungen das Auftreten der Glätte nicht aufgefallen war oder Gegenmaßnahmen aus anderen Gründen nicht möglich waren. Dabei kann zu Gunsten der Beklagten und des Erfüllungsgehilfen unterstellt werden, dass Letzterer den Zustand des Parkplatzes vor Beginn der Geschäftszeiten überprüft hatte und ihm kein Gefahrenzustand bekannt geworden ist. Indes folgt aus dem Beklagtenvortrag nicht, dass im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall auf Anforderung durch die Beklagte eine erneute Überprüfung erfolgt ist und was dabei festgestellt wurde. Auch aus der Aussage des Zeugen K. folgt nur, dass eine entsprechende allgemeine Absprache bestand, die eingehalten worden war, und dass der Zeuge früh morgens am Unfalltag trotz der Niederschläge am Vortag keine Glätte entdeckt hatte (Bl. 124 ff d. A.). Dass er später, kurz vor dem Unfall, noch einmal zum Markt gerufen worden wäre und Nachschau gehalten hätte und was er dabei entdeckte, hat der Zeuge hingegen nicht ausgeführt. Sofern kein Verschulden des Zeugen K. in Betracht kommt, sondern der Marktleiter dessen Benachrichtigung versäumt hat, kommt ein eigenes Verschulden der Beklagten gemäß 276, 31 BGB in Betracht.
h)
Bei dieser Sachlage kann es dahinstehen, ob die Klägerin daneben auch einen Anspruch gegen die Beklagte aus 823 Abs. 1 u. 2 BGB, 831 BGB hat, da sich hieraus keiner weitergehenden Haftungsfolgen ergeben als aus der vertraglichen Haftung, insbesondere nicht im Hinblick auf das begehrte Schmerzensgeld.
2.
Die Klägerin muss sich jedoch ein Mitverschulden gemäß 254 Abs. 1 BGB entgegen halten lassen.
Es begründet ein Mitverschulden zu Fall kommenden Geschädigten, wenn dieser einen Bereich, in dem abgeschlossenen Räum- und Streuarbeiten noch nicht abgeschlossen sind, begeht, ohne sich ausreichend gegen einen Sturz zu sichern (vgl. LG Oldenburg, VersR 2006, 520; Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 147).
Vorliegend hätte die Klägerin die Vereisung der auf dem Parkplatz befindlichen Rinne erkennen können und müssen. Dies folgt daraus, dass die zeugen K. und Schulz ausgesagt haben, dass sie das Eis bei der Annäherung an die Unfallstelle nach dem Aussteigen aus ihren Fahrzeugen erkennen konnten. Insbesondere hat der Zeuge K. bekundet, dass er das bei der Annäherung an einem Flimmern erkannt habe (Bl. 69 d. A.). Auch der Zeuge P., der Ehemann der Klägerin, hat zumindest eingeräumt, dass er zwar nicht das Eis, aber sehr wohl das drüber befindliche Wasser gesehen hat (Bl. 92 d. A.).
Daher hätte auch die Klägerin nach dem Aussteigen durch die erkennbaren Anzeichen gewarnt sein müssen und nicht unbedarft weitergehen dürfen, sondern entsprechende Sicherungsmaßnahmen ergreifen, ggf. die Eisfläche umgehen.
Dieses Mitverschulden ist gemäß 287 ZPO allerdings auf lediglich 25 % zu schätzen, da das Verschulden auf Beklagtenseite weit überwiegt und das Mitverschulden der Klägerin als untergeordnet einzustufen ist.
3.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von 7.500,-- EUR gemäß 253 BGB.
Nach der Neuregelung des 253 BGB kommen Schmerzensgeldansprüche auch bei vertraglichen Schadensersatzansprüchen in Betracht und nicht wie gemäß 847 BGB a. F. allein bei deliktischen Ansprüchen.
Vorliegend ist, auch unter Berücksichtigung des Mitverschuldensanteils ein Schmerzensgeld von 7.500,-- EUR als ausreichend und angemessen anzusehen.
a)
Durch den Unfall hat die Klägerin nach den zur Akte gereichten medizinischen Unterlagen sowie nach dem unstreitigen Parteivortrag eine Radiusköpfchenmehrfragmentfraktur entstanden (Bruch des rechten Ellenbogens).
Ihr mussten operativ vier Schrauben eingesetzt werden und sie blieb 14 Tage lang stationär im Krankenhaus. Ferner trug sie 14 Tage lang eine Oberarmgipsschiene. Im Zeitraum bis zum 20.04.2009 hatte sie acht Behandlungstermine wahrzunehmen. Eine Arbeitsunfähigkeit über mehrere Monate trat ein. Im Rahmen einer Operation wurden am 11.08.2009 die Schrauben entfernt. Schließlich folgte am 29.06.2010 eine weitere Nachoperation, bei der eine Titanplatte aus dem rechten Arm entfernt wurde (Bl. 3 d. A.). Gleichwohl verblieb bei der Klägerin eine Beugefähigkeitseinschränkung des rechten Ellenbogens. Ferner traten Taubheitsgefühle in den Fingern der rechten Hand sowie Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit der Finger der rechten Hand auf, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 % begründen (Bl. 4 d. A.). Die Klägerin war 3 Monate bis zur Gutachtenerstellung und danach weitere 3 Monate lang voll arbeitsunfähig. Zusätzlich wurde eine Dauerkrankengymnastik durchgeführt (Bl. 3 d. A.).
b)
Bei der Bemessung eines Schmerzensgeldes sind die Art der Verletzungen, die Art und Dauer der ambulanten und stationären Behandlungen sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit als Bemessungskriterien zu berücksichtigen. Dabei sind Dauerschäden, psychische Beeinträchtigungen und seelisch bedingte Folgeschäden sowie die Auswirkungen auf die Lebenssituation und die Berufstätigkeit des Verletzten relevante Faktoren. Ferner sind das Verschulden des Schädigers und ein mögliches Mitverschulden des Verletzten zu berücksichtigen (vgl. Geigel-Pardey, aaO., 7. Kap., Rdn. 35 ff). Insgesamt ist eine wertende Gesamtschau der Bemessungsfaktoren im konkreten Fall anzustellen, wobei die in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder nur einen gewissen Anhaltspunkt bieten, ohne zwingend zu einer bestimmten Schmerzensgeldhöhe zu führen. Zu berücksichtigen ist, dass es absolut identische Fälle nicht gibt, sondern in jedem Einzelfall andere Faktoren gelten (vgl. Senat, Urt. v. 14.03.2006 4 U 326/03, juris Rdn. 77 m. w. N.).
c)
Ausgehend hiervon ist ein Betrag von 7.500,-- EUR angemessen.
Bei Ellenbogenfrakturen, die mit der streitgegenständlichen vergleichbar sind, sind Schmerzensgelder von bis zu 6.000,-- EUR zugesprochen wurden (vgl. Slizyk, Beck"sche Schmerzensgeldtabelle, 7. Auflage, Rdn. 3842, S. 317). Dies gilt jedenfalls in Fällen längerer Krankenhausaufenthalte und mehrmonatiger Arbeitsunfähigkeit. Berücksichtigt man ferner, dass mehrere Operationen erforderlich waren und eine 20-prozentige Erwerbsminderung dauerhaft eingetreten ist, insbesondere Beeinträchtigungen der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand vorliegen, so ist im konkreten Fall ein höheres Schmerzensgeld von 10.000,-- EUR als Ausgangspunkt heranzuziehen. Hierdurch wird bei der gebotenen Gesamtbetrachtung den unfallbedingten Beeinträchtigungen der Klägerin hinreichend Rechnung getragen. Zu berücksichtigen ist bei der endgültigen Bemessung jedoch, dass die Klägerin ein Mitverschulden von 25 % trifft, so dass ein Schmerzensgeld von 7.500,-- EUR resultiert.
4.
Die Klägerin hat des Weiteren Anspruch auf Ersatz eines Haushaltsführungsschadens in Höhe von 1.500,-- EUR.
a)
Die Haushaltsführung stellt eine sinnvolle wirtschaftliche Verwertung der Arbeitskraft bzw. sofern sie zugunsten von Familienangehörigen erfolgt eine Erwerbstätigkeit i. S. d. 842, 843 BGB dar, so dass im Rahmen des Schadensersatzes wegen einer Verletzung des den Haushalt führenden Ehegatten diesem auch der durch die Nichtausübung dieser Tätigkeit entstandene Nachteil als materieller Schaden zu ersetzen ist (vgl. BGH, VersR 1968, 852; VersR 1972, 1075; VersR 1974, 1016; VersR 1989, 1273; Palandt-Sprau, aaO., 843 BGB, Rdnr. 8; Geigel-Pardey, aaO., Kap. 4, Rdnr. 140; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 10., Auflage, Rdnr. 180 u. 182). Ausgangspunkt ist die Arbeitsleistung, die der haushaltführende Ehegatte ohne den Unfall tatsächlich erbracht hätte, nicht diejenige, zu der er rechtlich verpflichtet war (vgl. BGH, VersR 1984, 936; Küppersbusch, aaO., Rdnr. 186).
Zur Schadensschätzung gemäß 287 ZPO ist der Nettolohn einer erforderlichen und geeigneten Hilfskraft heranzuziehen, wobei es dem Grunde nach nicht darauf ankommt, ob eine solche tatsächlich eingestellt wurde oder nicht. Letzteres kann allenfalls die Höhe des Anspruchs beeinflussen (vgl. BGH, VersR 1968, 852; Palandt-Sprau, aaO., 843 BGB, Rdnr. 8; Küppersbusch, aaO., Rdnr. 188). Sofern eine Ersatzkraft nicht eingestellt wurde, ist die Vergütung fiktiv nach dem Nettolohn einer erforderlichen und geeigneten Hilfskraft zu berechnen (vgl. BGH, VersR 1968, 852; VersR 1973, 939; VersR 1992, 618; OLG Frankfurt, VersR 1982, 981; Küppersbusch, aaO., Rdnr. 188). Zugrunde zu legen ist dabei die seitens der Rechtsprechung und in der Literatur anerkannte (vgl. BGH, NJW 1988, 1783 (1784); OLG Düsseldorf, DAR 1988, 24; OLG Oldenburg, VersR 1993, 1491; Küppersbusch, aaO., Rdnr. 189), von Schulz-Borck/Hofmann entwickelte Methode (jetzt: Schulz-Borck/Pardey, Schadenersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt. 7. Auflage). Danach ist der objektiv für den Umfang der tatsächlich erbrachten Haushaltsführung erforderliche Zeitaufwand (einschließlich Kinderbetreuung und Gartenpflege) (unten b)) mit dem Prozentsatz der konkreten Behinderung (unten c)) und das Ergebnis hieraus mit dem Nettostundenlohn der erforderlichen Hilfskraft (unten d)) zu multiplizieren (vgl. Küppersbusch, aaO., Rdnr. 189).
b)
Zunächst ist die Zeit festzusetzen, die objektiv für eine Fortsetzung der Haushaltsführung im bisherigen Umfang erforderlich ist. Für die Darlegung und den Nachweis kommt dem Verletzten die Beweiserleichterung des 287 ZPO zugute (vgl. BGH, VersR 1992, 618; Küppersbusch, aaO., Rdnr. 191)
Der Zeitaufwand kann nach der Tabelle 1 von Schulz-Borck/Pardey (vgl. Schulz-Borck/Pardey, aaO., S. 22 ff) geschätzt werden, die den Arbeitszeitbedarf je nach Zahl der Familienangehörigen und der Anspruchsstufe des Haushalts wiedergibt (vgl. Küppersbusch, aaO., Rdnr. 193). Die Mithilfe von Familienangehörigen kann nur dann berücksichtigt werden, wenn sie tatsächlich erbracht wurde (vgl. BGH, VersR 1974, 1016 (1017); OLG F.furt, VersR 1982, 981 (982); Küppersbusch, aaO., Rdnr. 188; Schulz-Borck/Hofmann, aaO., S. 18).
aa)
Die Klägerin hat bezüglich der Ermittlung des tatsächlichen Umfangs der Hausarbeit vorgetragen, die Hausarbeit alleine gemacht zu haben und zwar in einem Drei-Personen-Haushalt mit einer Wohnfläche von 180 qm. In der Zeit, in der sie die Oberarmgipsschiene getragen habe, sei sie völlig außer Stande gewesen, ihre Hausarbeit zu bewältigen (14 Tage lang) und sei daher 4 Stunden pro Tag auf fremde Hilfe angewiesen gewesen. Danach habe sie noch Fremdhilfe von 6 Stunden bis Ende August 2009 benötigt, insbesondere beim Fensterputzen und Einkaufen.
Auf den Hinweis des Senats hin hat die Klägerin ihren Vortrag dahingehend ergänzt, dass ihr Haus zwei Stockwerke umfasse, wobei das erste Stockwerk von der Klägerin und ihrem Ehemann sowie ihrem jüngsten, 19-jährigen, Sohn bewohnt wurde und das Erdgeschoss von ihren beiden älteren erwachsenen Söhnen (Bl. 229 d. A.). Darüber hinaus bestehe eine sog. Italienische Hausgemeinschaft, in der sich ausschließlich die Klägerin um beide Haushalte kümmere, nicht aber die berufstätigen Männer (Bl. 229 d. A.). In den ersten vierzehn Tagen sei die Klägerin wegen der Oberarmgipsschiene zu keinen Arbeiten im Haushalt fähig gewesen (Bl. 230 d. A.). Danach habe sie beim Einkaufen Probleme gehabt, so dass sie sich von ihren Söhnen zum Einkaufen habe fahren lassen müssen (Bl. 231 d. A.).
bb)
Hiervon ausgehend sieht der Senat im Rahmen des ihm zustehenden Schätzungsermessens gemäß 287 ZPO ausgehend von der Tabelle 1 nach Schulz-Borck/Pardey (vgl. Schulz-Borck/Pardey, aaO., S. 22 ff) die (durch großzügige Auslegung zu ermittelnde) Behauptung der Klägerin, vor dem Unfall täglich ca. 4 Stunden im Haushalt tätig gewesen zu und dann voll ausgefallen zu sein, als bewiesen angesehen. Bei einer Haushaltsgröße von drei Personen und der Anspruchsstufe 2 (mittel) ergibt sich nach der Tabelle 1 ein Arbeitszeitbedarf von 40 bis 47 Stunden in der Woche. Obgleich die Klägerin nicht im Einzelnen dargelegt hat, welche Arbeiten sie vor dem Unfall täglich durchgeführt hat, entspricht doch dieser Wert der in der Tabelle zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Erfahrung. Gesichtspunkte, auf Grund derer der Tabellenwert nach oben oder unten zu korrigieren wäre (vgl. hierzu Küppersbusch, aaO., Rdnr. 195), sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
cc)
Sodann ist zu schätzen, welcher Anteil von dieser Arbeitszeit von einer Hilfskraft übernommen werden müsste, um die Behinderung der Hausfrau auszugleichen. Hierbei kommt es auf die konkrete Behinderung an. Es ist dagegen nicht allein auf die abstrakte Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen, sondern auf Erfahrungssätze für bestimmte Verletzungen, wie sie etwa in bestimmten Tabellen zum Ausdruck kommen (vgl. Schulz-Borck/Pardey, aaO., Tabelle 6 (nach Reichenbach/Dr. Vogel), S. 64 u. Tabelle 7.1, S. 66). Es genügt dann der Vortrag und ggf. Nachweis der konkreten Verletzung. Auf deren Grundlage ist der nicht vom Verletzten zu erbringende Anteil an den Arbeiten zu schätzen (vgl. BGH, VersR 1992, 618; Geigel-Pardey, aaO., Kap. 4, Rdnr. 144; Küppersbusch, aaO., Rdnr. 189 f).
Bei einem Bruch des rechten Ellenbogens, wie ihn die Klägerin erlitten hat, ist jedenfalls ein Anteil von für die ersten 14 Tage (Tragen einer Gipsschiene) täglich 4 Stunden, also wöchentlich 20 Stunden ohne das Wochenende nicht überhöht. Je nach Grad der Versteifung des Ellenbogens, zu der noch Einschränkungen bei der Benutzung der Hand einschließlich der Finger hinzukommen, ist es angemessen, von einer Beeinträchtigung von bis zu 50 % auszugehen. Dies gilt jedenfalls für die ersten 14 Tage, in denen die Klägerin eine Gipsschiene getragen hat. Im Rahmen des ihm zustehenden Schätzungsermessens geht der Senat davon aus, dass die Klägerin in der Zeit ihrer vollen Beeinträchtigung daher Hausarbeiten von einer Zeitdauer von täglich 4 Stunden nicht ausüben konnte. Erst recht ist das Angewiesensein auf Fremdhilfe für 6 Stunden in der Woche im Folgezeitraum nicht überhöht, welcher für die folgenden 29 Wochen bis Ende August anzusetzen ist.
dd)
Jedoch ist zu berücksichtigen, dass in Gestalt des Ehemannes und der erwachsenen Söhne der Klägerin geeignete Hilfspersonen zur Verfügung stehen, die diese bei der Hausarbeit unterstützen können, was nach dem Vortrag der Klägerin etwa beim Einkaufen auch geschieht. In diesem Sinne liegt, unterstellt ein solcher existiert, kein typischer italienischer Haushalt vor, in dem die Ehefrau und Mutter sämtliche Arbeiten alleine ausführt. Auch bei weiteren Arbeiten, etwa dem allenfalls von Zeit zu Zeit anfallenden Waschen von Gardinen, kann sich die Klägerin entsprechend entlasten lassen. Zumutbare Kompensationen durch den Einsatz von Familienmitgliedern im Rahmen der Schadensminderungspflicht gemäß 254 Abs. 2 BGB sind bei der normativen Schadensberechnung zu berücksichtigen (vgl. Küppersbusch, aaO., Rdn. 188).
dd)
Die Höhe der fiktiven Vergütung für eine Hilfskraft richtet sich im Regelfall nach den Nettolöhnen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) oder für der Tarifverträge für hauswirtschaftliche Tätigkeiten. Dabei werden Stundensätze von bis zu 10,-- EUR als ortsübliche Stundensätze ganz überwiegend für unbedenklich gehalten (vgl. Küppersbusch, aaO., Rdn. 201 m. w. N.).
Auch im Fall der Klägerin sind diese Stundensätze nicht übersetzt.
ee)
Berücksichtigt man sowohl die vorstehenden, für die Bemessung des Haushaltsführungsschadens maßgeblichen Umstände, insbesondere den nunmehr von der Klägerin dargelegten Zeitaufwand, als auch den Umstand eines 25-prozentigen Mitverschuldens der Klägerin, so erscheint bei Anwendung des 287 ZPO ein ersatzfähiger Haushaltsführungsschaden von insgesamt 1.500,-- EUR als angemessen.
5.
Des Weiteren steht der Klägerin eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,-- EUR zu.
Eine solche wird von Rechtsprechung zur pauschalen Abgeltung von Kosten der Schadensfeststellung und -beseitigung wie z. B. Telefon-, Porto- und Fahrtkosten zugesprochen (vgl. Geigel-Knerr, aaO., 3. Kap., Rdn. 106). Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese die Klägerin nicht sollte beanspruchen können. Insbesondere ist wegen des pauschalen Charakters dieser Position unabhängig von der Höhe des sonstigen ersatzfähigen Schadens kein 25-prozentiger Abschlag zu tätigen.
Hieraus resultiert ein Gesamtschaden von 9.025,-- EUR.
6.
Schließlich kann die Klägerin darüber hinaus den Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren, jedoch nur in Höhe von insgesamt 588,88 EUR und nicht von vollen 1.111,46 EUR verlangen.
Zu Grunde zu legen ist zum einen lediglich der Betrag von insgesamt 9.025,-- EUR, bezüglich deren die Klägerin obsiegt. Sie kann daher nur Erstattung der aus dem begründeten Betrag zu berechnenden Kosten verlangen, also aus 9.025,-- EUR, mögen auch im Innenverhältnis zu ihrem Rechtsanwalt höherer Kosten entstanden sein (vgl. SaarlOLG, Urt. v. 23.03.2004 - 3 U 552/03 - 50, 3 U 552/03, OLGR Saarbrücken 2004, 530 532, juris Rdn. 25).
Zum anderen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats lediglich eine Geschäftsgebühr (Rahmengebühr) gemäß 13, 14 RVG, KV Nr. 2300 von 1,3, nicht aber 1,5 zu erstatten, da dies dem Schwierigkeitsgrad der Angelegenheit in mit einem durchschnittlichen Verkehrsunfall vergleichbarer Weise - angemessen ist (vgl. Senat, Urt. v. 24.02.2009 - 4 U 61/08 - 20, 4 U 61/08, OLGR Saarbrücken 2009, 449 551, juris Rdn. 27). Eine höhere Gebühr ist nicht deshalb erstattungsfähig, weil zu prüfen war, welche Folgen sich durch Einschaltung der Fa. K. auf die Haftung aus culpa in contrahendo im Gegensatz zur deliktischen Haftung ergeben, sowie im Hinblick auf die Berechnung des Haushaltsführungsschadens.
Schließlich ist die Mitverschuldensquote der Klägerin von 25 % zu berücksichtigen. Hinzu kommen die Pauschalen für Post und Telekommunikation sowie Ablichtungen und die 19-prozentige Mehrwertsteuer, so dass sich alles in allem ein zu erstattender Kostenbetrag von insgesamt 588,88 EUR ergibt.
7.
Die Kostenentscheidung folgt aus 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. 713 ZPO ist anwendbar, da die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, für jede der Parteien unzweifelhaft nicht gegeben sind. Dies folgt daraus, dass die Revision nicht zugelassen ist und gemäß 26 Nr. 8 EGZPO n. F. die Nichtzulassungsbeschwerde für jede der Parteien unzulässig ist, da die Beschwer der Beklagten im Berufungsverfahren 17.325,-- EUR, mithin nicht mehr als 20.000,-- EUR beträgt.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung ( 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n. F.) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts ( 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n. F.).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 17.325,-- EUR. Die außergerichtlichen Kosten von 1.111,46 EUR sind nicht zum Streitwert zu addieren, da es sich insoweit lediglich um eine Kostenposition handelt.
Schmerzensgeldklage
OLG SAARBRÜCKEN
Az.: 4 U 451/10 - 136, 4 U 451/10
Urteil vom 07.06.2011
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 24. August 2010 8 O 109/09 im Schmerzensgeldausspruch (Ziff. 1 des landgerichtlichen Urteilstenors) mit der Maßgabe abgeändert, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an den Kläger ein (Teil-)Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.9.2007 abzüglich außergerichtlich am 9.11.2007 gezahlter 2.000 EUR sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 899,40 EUR nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt 35%, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 65% der erstinstanzlichen Kosten. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der im Jahr 1985 geborene Kläger die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Leistungs- und Feststellungsantrag auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger befuhr mit dem Motorrad seines Vaters am 20.9.2007 gegen 18:30 Uhr in S.-E., Ortsteil Sp., die Straße von E.- Sp. in Richtung P.-K.. Der Beklagte zu 1) befand sich mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw auf dem in Fahrtrichtung des Klägers rechts neben der Fahrbahn kurz hinter dem bebauten Ortsbereich befindlichen Parkplatz. Von dort fuhr er auf die vom Kläger befahrene Hauptstraße links abbiegend auf. Der Kläger streifte das Fahrzeug des Beklagten hinten links und geriet zu Fall.
Der Kläger erlitt hierbei folgende Verletzungen: Brüche des 4. und 5. Mittelhandknochens, eine Außenbandruptur der Patellasehne, ein Knochenmarksödem im Bereich der unteren Patellasehne sowie des Tibiaplateaus mit einer lokalen Weichteilschwellung und einer Hämatombildung, eine HWS-Distorsion, eine Thoraxprellung, eine Beckenprellung und eine Prellung am rechten Knie. Er war vom 20.9. bis zum 25.9.2007 in stationärer Behandlung und war bis zum 16.11.2007 zu 100% arbeitsunfähig erkrankt. Am 21.9.2007 wurde die Verletzung an der Hand operativ versorgt. Anschließend wurde er bis zum 3.3.2008 insgesamt 26-mal physiotherapeutisch behandelt.
In dem Verfahren 8 O 110/08 des Landgerichts Saarbrücken nahm der Vater des Klägers die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz der materiellen Schäden in Anspruch. In diesem Verfahren wurde nach umfangreicher Beweisaufnahme auf Vorschlag des Gerichts ein Vergleich geschlossen, der dem Grunde nach auf einer Haftungsverteilung von 80 zu 20 zu Lasten der Beklagten beruhte.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger Ausgleich der ihm selbst entstandenen Schäden. Er hat hierbei die Auffassung vertreten, dass unter Berücksichtigung einer außergerichtlichen Zahlung über 2.000 EUR die Zahlung eines Schmerzensgeldes von insgesamt 10.000 EUR angemessen sei. Er hat behauptet, die Beeinträchtigungen in der Mobilität seiner linken Hand bestünden fort. Zudem bestünde die Gefahr einer Arthrosebildung mit weiteren spürbaren Folgen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld, das der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.9.2007 abzüglich außergerichtlich am 9.11.2007 gezahlter 2.000 EUR sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.105,51 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jeden weiteren zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden, der auf den Verkehrsunfall vom 20.9.2007 zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) zurückzuführen ist, zu ersetzen.
Dem sind die Beklagten entgegengetreten. Die Beklagten haben behauptet, dass der Kläger über einen längeren Zeitraum vom zweiten Halbjahr 2008 bis zum zweiten Halbjahr 2009 beschwerdefrei gewesen sei. Mit Blick darauf sei allenfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.500 EUR, unter Berücksichtigung der Haftungsquote lediglich ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.800 EUR, angemessen.
Das Landgericht hat dem Kläger ein Schmerzensgeld von insgesamt 4.000 EUR zugesprochen, worauf die vorgerichtliche Zahlung von 2.000 EUR anzurechnen sei, und dem Feststellungsantrag mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 80% der zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gem. 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger lediglich gegen die Teilabweisung des Leistungsantrags. Er vertritt die Auffassung, das Urteil bedürfe schon deshalb der Korrektur, weil das Landgericht übersehen habe, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 22.12.2009 lediglich einen Teilbetrag des Schmerzensgeldes geltend gemacht habe, und zwar für diejenigen Beeinträchtigungen, die bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten seien. Hinsichtlich des Bruches am dritten Mittelhandknochen habe sich eine Arthrose bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt manifestiert. Es stehe also fest, dass der Kläger für den Rest seines Lebens bei größeren Belastungen Schmerzen ertragen müsse. Insbesondere leide der Kläger noch heute unter einer eingeschränkten Mobilität. Beim Faustschluss verspüre er Druckschmerzen in der Basis des vierten Mittelhandknochens. Bei maximaler Belastung hielten diese Schmerzen noch tagelang an.
Nach der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. R. sei im Bereich des vierten und fünften Mittelhandknochens und den jeweils frakturbenachbarten Gelenken künftig eine Arthrose möglich.
Weiterhin wendet sich der Kläger gegen die Teilabweisung der vorprozessualen Anwaltskosten. Er vertritt die Auffassung, dass die Berechnung der Gebühren auf der Grundlage einer 1,5 fachen Gebühr nicht zu beanstanden sei.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 24.8.2010 8 O 109/09 die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein Teilschmerzensgeld in Höhe von 8.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.9.2007 abzüglich außergerichtlich am 9.11.2007 gezahlter 2.000 EUR sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.034,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.10.2009 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung. Das zuerkannte Schmerzensgeld sei angemessen: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe der Sachverständige ein Arthroserisiko hinsichtlich der MHK-IV-Basisfraktur für theoretisch kaum gegeben erachtet und hinsichtlich der MHK-V-Fraktur zwar für theoretisch möglich, nicht jedoch für wahrscheinlich angesehen. Lediglich hinsichtlich der Stauchungsfraktur des Kopfbeines habe der Sachverständige eine bereits geringfügig vorliegende degenerative Veränderung im Gelenksbereich festgestellt und sei davon ausgegangen, dass die schon jetzt bestehenden Beschwerden bei größeren Belastungen im Laufe von Jahren eher zunehmen würden. Zugleich habe der Sachverständige jedoch angemerkt, dass das Potenzial einer weiteren degenerativen Entwicklung grundsätzlich deutlich geringer sei als bei "typischen" gut beweglichen Gelenken. Auch seien die funktionellen Auswirkungen eines weiteren Gelenkverschleißes geringer. All dies sei in die Bemessung des Schmerzensgeldes zu Gunsten der Beklagten mit einzustellen.
Entgegen der Auffassung des Klägers sei es nicht gerechtfertigt, das Schmerzensgeld wegen einer zögerlichen Regulierung zu erhöhen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsschrift vom 27.9.2010 (Bl. 145 ff. d. A.) sowie auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 15.10.2010 (Bl. 160 ff. d. A.) verwiesen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 10.5.2011 (Bl. 170 f. d. A.) Bezug genommen.
II.
A.
Nur der Leistungsanspruch ist Gegenstand des Berufungsverfahrens, nachdem der Feststellungsausspruch in Rechtskraft erwachsen ist. Die zulässige Berufung hat im tenorierten Umfang (anteilig) Erfolg: Der Schmerzensgeldausspruch war in zeitlicher Hinsicht zu beschränken. Hinsichtlich der Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes war dem Kläger unter Berücksichtigung des Mitverschuldens ein Schmerzensgeld von 6.000 EUR zuzusprechen. Mit Blick auf den höheren Geschäftswert der berechtigten Klageforderung bedurfte auch der Ausspruch zur Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten einer Korrektur.
1.
Zunächst begegnet es im vorliegenden Fall in prozessualer Hinsicht keinen Bedenken, den Schmerzensgeldanspruch im Wege der offenen Teilklage auf diejenigen Verletzungsfolgen zu beschränken, die bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten sind.
a) Zwar gebietet es der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes, die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldes aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung im Regelfall unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen (st. Rspr. BGHZ (GS) 18, 149; Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., 253 Rdnr. 15). Diese ganzheitliche Betrachtung verbietet sich jedoch, wenn wegen der ungewissen und nicht absehbaren Schadensentwicklung die tatsächlichen Grundlagen für die Gewichtung der das Schmerzensgeld determinierenden Faktoren nicht verlässlich bestimmt werden können. In einem solchen Fall führt kein Weg daran vorbei, dem Geschädigten zunächst denjenigen Betrag des Schmerzensgeldes zuzusprechen, der dem Verletzten zum Zeitpunkt der Entscheidung mindestens zusteht, um das Schmerzensgeld in einem Folgeprozess auf die volle Summe zu erhöhen, die der Verletzte auf Grund der dann verlässlichen Beurteilung der weiteren Entwicklung beanspruchen kann (BGH, Urt. v. 20.1.2004 VI ZR 70/03, NJW 2004, 1243 unter Berufung auf RG, Warn. 1917 Nr. 99, S. 143 f.; vgl. MünchKomm(BGB)/Oetker, 5. Aufl., 253 Rdnr. 61). Diese Durchbrechung des Grundsatzes von der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes eröffnet dem Kläger in den Fällen der noch nicht abgeschlossenen und unüberschaubaren Schadensentwicklung die Option zur Erhebung einer offenen Teilklage (Palandt/Grüneberg, aaO, 253 Rdnr. 15, 23; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 2. Aufl., 253 Rdnr. 69; Terbille, VersR 2005, 37, 40; Diederichsen, VersR 2005, 433, 440; Heß, NJW-Spezial 2004, 63 f.). Denn auch ein einheitlicher Anspruch ist im rechtlichen Sinne teilbar, solange er quantitativ abgrenzbar und eindeutig individualisierbar ist (BGH, NJW 2004, 1244).
b) Diesen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Teilklage wird der Klägervortrag gerecht. Der Kläger hat im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 22.12.2009 (Bl. 51 f.) vorgetragen, dass er mit der vorliegenden Klage lediglich einen Teilbetrag des Schmerzensgeldes geltend mache, wobei im Rahmen der Bemessung der Anspruchshöhe nur die Verletzungsfolgen Berücksichtigung finden sollten, die bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten sein werden. Er hat hierbei insbesondere darauf hingewiesen, dass nach Auskunft der ihn behandelnden Ärzte eine chirurgische Revision beziehungsweise Korrektur der abgekippt verheilten Fraktur notwendig werden könnte. Schließlich bestehe vor dem Hintergrund der erlittenen Fraktur die latente Gefahr, dass es dort zu Arthrosebildung kommen werde. Diese Einschätzung der künftigen gesundheitlichen Risiken trifft wie sogleich dargelegt wird zu.
2.
Die Klage ist begründet: Die Haftung dem Grunde nach ( 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 und 2 PflVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung) steht außer Streit. Der Anspruch umfasst gem. 11 S. 2 StVG auch immaterielle Schäden.
a) Hinsichtlich der Bemessung des Schmerzensgeldes ist von folgenden Rechtsgrundsätzen auszugehen:
Das Schmerzensgeld verfolgt vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden zu bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien (vgl. BGHZ 18, 149, 154). Als objektivierbare Umstände besitzen vor allem die Art der Verletzungen, Art und Dauer der Behandlungen sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ein besonderes Gewicht. Hierbei zählen das Entstehen von Dauerschäden, psychischen Beeinträchtigungen und seelisch bedingten Folgeschäden zu den maßgeblichen Faktoren (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO, 253 Rdnr. 16 ff.; Erman/I. Ebert, BGB, 12. Aufl., 253 Rdnr. 20 ff.).
Darüber hinaus sind die speziellen Auswirkungen des Schadensereignisses auf die konkrete Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen. Auch die beruflichen Folgen der Verletzung und ihre Auswirkungen auf die Freizeitgestaltung des Geschädigten sind Faktoren bei der Bestimmung des Schmerzensgeldes (Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl., 253 Rdnr. 10). Hierbei kommt es auch auf das Alter des Geschädigten an: Die Beeinträchtigung wird nicht in jedem Lebensalter gleich gravierend empfunden.
Zumindest in Fällen vorsätzlicher Schadenszufügung wirkt sich wegen der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes schließlich das Maß des Verschuldens auf die Schmerzensgeldhöhe aus (Senat, NJW 2008, 1166).
Bei der Schmerzensgeldbemessung verbietet sich eine schematische, zergliedernde Herangehensweise. Einzelne Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen dürfen nicht gesondert bewertet und die so ermittelten Beträge addiert werden. Vielmehr ist die Schmerzensgeldhöhe in einer wertenden Gesamtschau aller Bemessungskriterien des konkreten Falls zu ermitteln, wobei die in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder einen gewissen Anhaltspunkt bieten können, ohne jedoch zwingend zu einer bestimmten "richtigen" Schmerzensgeldhöhe zu führen (vgl. BGH, Urt. v. 8.6.1976 VI ZR 216/74, VersR 1976, 967 f.; Beschl. v. 1.10.1985 VI ZR 195/84, VersR 1986, 59).
Schließlich ist für die Bemessung des Schmerzensgeldes ein eventuelles Mitverschulden des Verletzten von Relevanz, wobei die Berücksichtigung der Eigenhaftung jedoch nicht zu einer quotenmäßigen Beschränkung führt (Palandt/Grüneberg, 253 Rdnr. 20).
b) Angewandt auf den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt, sind zunächst alle bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung bereits entstandenen Beeinträchtigungen in die Bemessung einzubeziehen: Der Kläger erlitt durchaus nicht unerhebliche Primärverletzungen (Bruch zweier Mittelhandknochen und Ruptur des Knieaußenbandes; Hämatome und ein Knochenmarksödem bone bruise), die einen wenn auch recht kurzen Krankenhausaufenthalt von 6 Tagen erforderlich machten, während dessen der Kläger sich einer Operation an der linken Hand unterziehen musste. Es schloss sich dann ein Zeitraum von weiteren ca. 7 Wochen an, innerhalb dessen der Kläger so stark beeinträchtigt war, dass er zu 100% arbeitsunfähig war. Im weiteren Verlauf der Behandlung wurde der Kläger insgesamt 26-mal krankengymnastisch behandelt. Schließlich ist einzubeziehen, dass sich im Bereich des 3. Mittelhandstrahls eine beginnende Arthrose manifestiert hat, die den Kläger in seiner Lebensführung bis heute beeinträchtigt: Der Sachverständige Prof. R. hatte keine Zweifel an den Angaben des Klägers, dass er bei größeren, jedoch durchaus alltagsüblichen Belastungen (das Tragen von Sprudelkästen, sportliche Betätigungen wie Liegestützen und Fußballspiel als Torwart) Schmerzen empfindet, die zumindest bei großer Belastung mitunter tagelang anhalten.
c) Mit den Argumenten der Berufungserwiderung sind diese arthrosebedingten Belastungen trotz der Antragstellung des Klägers, der das Schmerzensgeld nur für alle bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufgetretenen Beeinträchtigungen eingeklagt hat, über den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung hinaus für den weiteren Lebensweg des Klägers in die Bemessung des Schmerzensgeldes einzubeziehen:
Das Schmerzensgeld ist im Grundsatz einheitlich zu bemessen. Es bezweckt bei ganzheitlicher Betrachtung den Ausgleich für alle den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Schadensentwicklung. Die Möglichkeit, unter Ausnahme des vorgenannten Grundsatzes ein Teilschmerzensgeld einzuklagen, will dem Umstand Rechnung tragen, dass es Fälle gibt, in denen die künftige Schadensentwicklung nicht verlässlich beurteilt werden kann, weshalb sich eine Aussage darüber, ob und in welchem Umfang in Zukunft noch weitere Unfallfolgen entstehen, verbietet.
Da solche lediglich denkbaren, keineswegs überwiegend wahrscheinlichen Unfallfolgen bei der Schmerzensgeldberechnung keine Berücksichtigung finden dürfen, muss dem Geschädigten die Möglichkeit vorbehalten bleiben, den zuzuerkennenden Betrag auf die volle Summe zu erhöhen, wenn die Schadensentwicklung verlässlich beurteilt werden kann oder gar abgeschlossen ist. Hierbei wird in einem Folgeprozess die spätere Entwicklung nicht isoliert zu betrachten sein. Vielmehr orientiert sich die im Folgeprozess zuzuerkennende Summe danach, welches Gesamtschmerzensgeld zu zahlen ist, wenn die spätere Unfallfolge von vornherein in die ursprüngliche Schmerzensgeldberechnung Eingang gefunden hätte.
Dieses Interesse verlangt es nicht, auch die zum Zeitpunkt der Entscheidung sicher zu prognostizierende Schadensentwicklung nur bis zum Stichtag zu beachten. Vielmehr sind sämtliche bis zum Stichtag bereits eingetretenen Schadensfolgen zugleich für die gesamte weitere Lebensentwicklung des Geschädigten zu gewichten (so OLG Celle, MDR 2009, 1270). Dieses Ergebnis ist nicht zuletzt aus Gründen der Prozessökonomie vorzugswürdig. Denn es erspart den Parteien einen Folgeprozess, wenn sich die unsichere Prognose nicht bestätigt. Demgegenüber wäre auf der Grundlage der Gegenauffassung (offensichtlich OLG Brandenburg, SB 2009, 71) ein Folgeprozess unvermeidlich, wenn bei der Schadensbemessung eine sichere Dauerfolge nur bis zu einem bestimmten Stichtag in die Berechnung des Schmerzensgeldes einbezogen werden könnte.
d) Demnach bleiben aufgrund der zeitlichen Beschränkung des Schmerzensgeldes zum einen die für möglich erachteten arthrotischen Veränderungen im Bereich des 5. und 4. Mittelhandknochens außer Betracht, da die weitere Entwicklung noch nicht verlässlich beurteilt werden kann: Der Sachverständige hat im Bereich des 5. und 4. Mittelhandknochens und der jeweils benachbarten Gelenke eine Arthrose zwar für möglich, nicht jedoch für wahrscheinlich erachtet. Er hat diese Einschätzung nachvollziehbar damit begründet, dass die Fehlstellung im Grundgelenk des 5. Fingers gering ist und das von der Verletzung primär nicht betroffene Gelenk zum Zeitpunkt der röntgenologischen Untersuchung durch den Sachverständigen unauffällig war. Hinsichtlich der Verbindung zwischen dem 4. Mittelhandstrahl und der Handwurzel hat der Sachverständige eine relevante sekundäre Abnutzung deshalb nicht erwartet, weil die Gelenkverbindung in diesem Bereich straff ist und der Gelenkspalt zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen keine Auffälligkeiten zeigte. Diese Ausführungen, denen die Parteien nicht entgegen getreten sind, überzeugen.
Zum anderen ist es dem Kläger unbenommen, in einem Folgeprozess Ausgleich für all diejenigen immateriellen Beeinträchtigungen zu verlangen, die zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch nicht eingetreten waren und deren Eintritt nach objektiven Gesichtpunkten, d.h. nach den Kenntnissen und Erfahrungen eines insoweit Sachkundigen nicht vorhersehbar war (vgl. BGH, Urt. v. 14.2.2006 VI ZR 322/04, NJW-RR 2006, 712; MünchKomm(ZPO)/Gottwald, 3. Aufl., 322 Rdnr. 135, 142; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., 322 Rdnr. 161; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., 322 Rdnr. 13 und vor 322 Rdnr. 49; Prütting/Gehrlein/Völzmann-Stickelbrock, 3. Aufl., 322 Rdnr. 38).
d) Weiterhin ist zum Nachteil des Klägers eine 20%-ige Eigenhaftung anzurechnen. Wenngleich die Rechtskraft des Feststellungsausspruchs nur die Haftung für zukünftige Schäden erfasst, steht die Höhe des Mitverschuldens im Berufungsrechtszug nicht im Streit.
e) Schließlich ist es nicht gerechtfertigt, das Schmerzensgeld wegen einer verzögerten Regulierungspraxis zu erhöhen:
aa) Zwar entspricht es anerkannten Rechtsprechungsgrundsätzen, dass die verzögerte Schadensregulierung als Bemessungsfaktor Beachtung finden kann. Dies setzt jedoch voraus, dass sich der leistungsfähige Schuldner einem erkennbar begründeten Anspruch ohne schutzwürdiges Interesse widersetzt (Senat, Schaden-Praxis 2011, 13; Palandt/Grüneberg, aaO, 253 Rdnr. 17; vgl. OLGR Nürnberg, 2007, 112 = MDR 2007, 718; Naumburg, NJW-RR 2002, 672; 2008, 693; KG NZV 2007, 301). Hinzu kommt, dass die Erhöhung des Schmerzensgeldes keinen Sanktionscharakter besitzen darf, sondern nur dann gerechtfertigt ist, wenn die verzögerte Zahlung das gem. 253 BGB geschützte Interesse des Gläubigers beeinträchtigt. Davon ist etwa dann auszugehen, wenn der Schuldner unter der langen Dauer der Schadensregulierung leidet. Aber auch dann, wenn der Gläubiger den Schadensersatz dazu verwenden kann, um die Auswirkungen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu lindern, kann die Verzögerung der Schadensregulierung eine Anhebung des Schmerzensgeldes verlangen. Im vorliegenden Rechtsstreit liegen diese Voraussetzungen nicht vor:
bb) Die Schwere der erlittenen Verletzungen und die Höhe des zuzuerkennenden Schmerzensgeldes sind zu gering, um eine psychische Beeinträchtigung des Klägers durch den verzögerten Ausgleich der vollen Schadensersatzleistung plausibel erscheinen zu lassen. Hinzu kommt, dass die Beklagten durchaus ein nachvollziehbares Interesse daran besaßen, die Folgewirkungen der Gesundheitsbeeinträchtigungen, auf denen der "Löwenanteil" des Schmerzensgeldes beruht, durch einen Gerichtsgutachter abzuklären.
f) In der Zusammenschau dieser Einzelfaktoren erachtet der Senat ohne Berücksichtigung des Mitverschuldens im Ausgangspunkt ein Schmerzensgeld von 7.500 EUR für erforderlich, aber auch für angemessen: Die Schmerzensgeldbemessung musste neben den Primärverletzungen und dem nicht schmerzfreien Heilverlauf hinsichtlich der Knieverletzung, deren Behandlung u.a. 26 Besuche bei einem Krankengymnasten erforderlich machte, vor allem dem mit abzugeltenden Dauerschaden beim Faustschluss Rechnung tragen, der mit Blick auf das Alter des Klägers von zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens 21 Jahren stärker zu gewichten war, als dies der Schmerzensgeldfestsetzung des Landgerichts entsprach. Ein noch höheres Schmerzensgeld stünde indessen mit der Kasuistik vergleichbarer Fälle nicht in Einklang. So werden in der einschlägigen Kasuistik Schmerzensgelder über 10.000 EUR regelmäßig nur dann zugesprochen, wenn gravierende Folgeschäden verbleiben (etwa: KG, Urt. v. 26.2.2004 12 U 276/02; Urt. v. 3.5.2010 12 U 119/09; LG Hannover, Urt. v. 29.2.22006 16 O 16/06; LG München I, Urt. v. 5.2.2004 19 O 17143/02). Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens war folglich ein Schmerzensgeld von 6.000 EUR abzüglich gezahlter 2.000 EUR zu tenorieren.
c) Hinsichtlich der Berechnung der vorprozessualen Anwaltskosten bleibt die Berufung ohne Erfolg: Nach der Rspr. des Senats (seit Urt. v. 24.2.2009 4 U 61/08-20-, OLGR 2009, 549 = Schaden-Praxis 2009, 376) sind "durchschnittliche" Verkehrsunfälle nach einer 1,3-fachen Gebühr abzurechnen. Der vorliegende Rechtsstreit weist keine besonderen Schwierigkeiten auf, die diesen Rahmen sprengen. Allerdings beträgt der Geschäftswert der berechtigten Forderungen in Einklang mit der im Einvernehmen beider Parteien erfolgten Streitwertfestsetzung 14.000 EUR, woraus gem. 13 Abs. 1 RVG ein Kostenerstattungsanspruch von 899,40 EUR resultiert.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf 92 Abs. 1 ZPO: Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kostenentscheidung war von einem Kostenstreitwert von insgesamt 16.000 EUR auszugehen, nachdem der Kläger das Mindestschmerzensgeld und den Wert des Feststellungsanspruchs jeweils mit 8.000 EUR beziffert hat. Der Obsiegensanteil des Klägers hinsichtlich des Klageantrags zu 1) beträgt nach der im Berufungsrechtszug erfolgten Korrektur 4.000/16.000 und hinsichtlich des Feststellungsausspruchs unter Berücksichtigung des Mitverschuldens 6.400/16.000, insgesamt mithin 10.400/16.000 oder 65%. Im Berufungsrechtszug halten sich demgegenüber die beiderseitigen Obsiegens- und Unterliegensanteile die Waage.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern ( 543 Abs. 2 ZPO).
Beweislast für Verletzungen nach Verkehrsunfall
Oberlandesgericht München
Az: 10 U 3369/10
Urteil vom 12.08.2011
In dem Rechtsstreit erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.07.2011 folgendes Endurteil
1.
Auf die Berufung der Klägerin vom 28.06.2011 wird das Endurteil des LG Traunstein vom 25. 5. 2010 (Az. 1 O 1769/10) samt dem ihm zugrundeliegenden Verfahren, mit Ausnahme der unfallanalytisch-biomechanischen Begutachtung durch Dipl.-Ing. Dr ..., aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Traunstein zurückverwiesen.
2.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG Traunstein vorbehalten.
Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, werden nicht erhoben.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einem Verkehrsunfall am 16.01.2006 auf der ..geltend. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.
Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 25.05.2010 (Bl. 370/380 d.A.) Bezug genommen ( 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG Traunstein hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen.
Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses der Klägerin am 01.06.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem beim Oberlandesgericht München am 28.06.2010 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 385/386 d.A.) und mit einem beim Oberlandesgericht München am 28.06.2010 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 389/425 d.A.) begründet.
Die Klägerin beantragt, nach dem Antrag erster Instanz zu erkennen, hilfsweise das Verfahren an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 27.06.2011 (Bl. 443/447 d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 22.07.2011 (Bl. 448/450 d.A.) Bezug genommen.
B.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.
I.
Das Landgericht hat nach derzeitigem Verfahrensstand zu Unrecht einen Anspruch Klägerin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verneint. Die Überzeugung des Erstrichters, die Klägerin habe den Nachweis unfallbedingter Verletzungen nicht geführt, beruht auf einer unzulänglichen Beweiserhebung und fehlerhaften Beweiswürdigung.
1.
Das angefochtene Urteil lässt bereits unberücksichtigt, dass eine unfallbedingte Verletzung in Form einer leichten HWS-Distorsion nach Erdmann Grad 1 unstreitig ist. Wie der Erstrichter selbst ausführt (Seite 4 EU), bestreitet die Beklagte die klägerischen Verletzungen mit der Einschränkung, dass die Klägerin "allenfalls eine leichte HWS-Distorsion erlitten hat". Dass mit dieser Formulierung, die dem Vortrag der Klageerwiderung unter Ziffer II 3 (Seite 4) entspricht, eine leichte HWS-Distorsion unbestritten bleiben sollte, folgt nicht nur aus dem Wortlaut selbst, sondern ergibt sich zusätzlich auch aus Ziffer II 2 der Klageerwiderung sowie der Zusammenfassung unter Ziffer II 3 auf den Seiten 5/6, wo ausdrücklich nur bestritten wird, dass das Unfallereignis geeignet war, eine HWS-Distorsion vom Ausmaß Grad 2 zu verursachen. Auch der Umstand dass außergerichtlich ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 EUR bezahlt worden ist, belegt, dass die Beklagte unfallbedingte Verletzungsfolgen nicht grundsätzlich bestreitet.
Im Übrigen ist auch die Beweiswürdigung des Erstrichters, wonach nicht einmal eine leichte HWS-Distorsion nachgewiesen sei, nicht überzeugend. In Anbetracht des Umstandes, dass eine solche Verletzungsfolge nicht zwingend in bildgebenden Verfahren sichtbar gemacht werden kann und die ärztlichen Untersuchungen im Rahmen der Begutachtung 3 Jahre nach dem Unfall hierüber ebenfalls keine eigene medizinische Feststellungen mehr liefern können, genügt es nicht, darauf hinzuweisen, dass die beauftragten medizinischen Gutachter keinen eigenen, objektivierbaren Nachweis für eine unfallbedingte Verletzungsfolge feststellen konnten. Ohnehin ist aber bereits auch der Sachverständige Dr. B. davon ausgegangen, dass bei Berücksichtigung aller Umstände jedenfalls von einer HWS-Distorsion geringen Ausmaßes auszugehen sei (Seite 14 des Gutachtens, Blatt 233 d.A.) und auch der Sachverständige Dr. R. hat jedenfalls im Parallelverfahren 1 O 1000/08 LG Traunstein eine HWS-Distorsion nicht in Frage gestellt (Protokoll vom 23.02.2010, Antwort zu den Fragen 3, 6 und 9, Anlage zu Blatt 357 d.A.). Es ist auch zu bedenken, dass nach den bisherigen Erkenntnissen zu unterstellen ist, dass die Klägerin vor dem Unfallgeschehen völlig beschwerdefrei war, sich bereits am Unfalltag in ärztliche Behandlung begeben hat und im Anschluss hieran eine Vielzahl ärztlicher Behandlungen und Untersuchungen (siehe Aufstellung Anlagen zu Blatt 86 d.A.) erfolgten, die jedenfalls nach den Feststellungen der behandelnden Ärzte Nacken - und Kopfbeschwerden sowie motorische Störungen, später auch psychische Probleme betrafen, die alle als mögliche Folge einer HWS-Verletzung in Betracht kommen. Auf das Gewicht dieser Faktoren hat der Senat schon in seinem Beschluss vom 14.10.2008 unter Ziffer 3 g) hingewiesen (Blatt 220 d.A.). Selbst bei Anwendung des Beweismaßes des 286 ZPO bestehen aus Sicht des Senats keine Zweifel, dass die Klägerin beim Unfallgeschehen tatsächlich verletzt worden ist.
2.
Mit der unstreitigen (im übrigen auch nachgewiesenen) HWS-Distorsion steht bereits der Haftungsgrund fest, so dass die Frage, ob über diese Primärverletzung hinaus der Unfall auch für weitere körperliche oder psychische (Folge-)Beschwerden der Klägerin ursächlich war, eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität ist, die sich gem. 287 ZPO beurteilt (BGH VersR 2003, 474 = NJW 2003, 1116 = DAR 2003, 217 [BGH 28.01.2003 - VI ZR 139/02]; NJW 2004, 777 [778]; VersR 2008, 644 [BGH 12.02.2008 - VI ZR 221/06]; NJW-RR 2009, 409 = MDR 2009, 163 = VersR 2009, 69 [BGH 14.10.2008 - VI ZR 7/08] = zfs 2009, 206 = r+s .2009, 127; KG VersR 2004, 1193 [KG Berlin 16.10.2003 - 12 U 58/01] = VRS 106 [2004] 260; Beschl. v. 03.12.2009 - 12 U 232/08 [[...]] = NJW-Spezial 2010, 330 (red. Leitsatz, Kurzwiedergabe); OLG Saarbrücken OLGR 2005, 740 = SP 2006, 134; Senat, Urt. v. 28.07.2006 -10 U 1684/06 [[...]]; OLG Schleswig NZV 2007, 203; OLG Brandenburg, Urt. v. 25.09.2008 - 12 U 17/08 [[...]]; Müller VersR 2003, 137 [142 unter III 1, 2]).
Im Rahmen des 287 ZPO unterliegt der Tatrichter nicht den strengen Anforderungen des 286 I 1 ZPO. Zwar kann er auch eine haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen, wenn er von diesem Ursachenzusammenhang überzeugt ist; im Rahmen der Beweiswürdigung gem. 287 I 1 ZPO werden aber geringere Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt - hier genügt je nach Lage des Einzelfalls eine überwiegende (höhere oder deutlich höhere) Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung (BGHZ 4, 192 [196] = NJW 1952, 301 [BGH 13.12.1951 - IV ZR 123/51]; BGH VersR 1968, 850 [851]; 1970, 924 [926 f.]; BGHZ 126, 217 ff. = NJW 1994, 3295 ff.; NJW 2003, 1116 [BGH 28.01.2003 - VI ZR 139/02] [1117]; 2004, 777 [778]; VersR 2005, 945 = NJW-RR 2005, 897 = DAR 2005, 441 [BGH 19.04.2005 - VI ZR 175/04] = SP 2005, 259 = NZV 2005, 461 = MDR 2005, 1108 [BGH 19.04.2005 - VI ZR 175/04] = VRS 109 [2005] 98 = r+s 2006, 38 = BGHReport 2005, 1107; Senat NZV 2006, 261 [OLG München 27.01.2006 - 10 U 4904/05] [262], Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [[...]]; v. 15.09.2006 - 10 U 3622/99 = r+s 2006, 474 546 m. zust. Anm. von Lemcke = NJW-Spezial 2006, 546 m. zust. Anm. von Heß/Burmann, Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschl. v. 08.05.2007 - VI ZR 29/07 [[...]] zurückgewiesen; v. 21.05.2010 - 10 U 2853/06 [[...], Rz. 122] und zuletzt Urt. v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [[...] = NJW-Spezial 2010, 554 - red. Leitsatz, Kurzwiedergabe]; OLG Schleswig NZV 2007, 203 [OLG Schleswig 06.07.2006 - 7 U 148/01] [204]). 287 I 1 ZPO entbindet aber nicht vollständig von der grundsätzlichen Beweislastverteilung und erlaubt es nicht, zugunsten des Beweispflichtigen einen bestimmten Schadensverlauf zu bejahen, wenn nach den festgestellten Einzeltatsachen "alles offen" bleibt oder sich gar eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Gegenteil ergibt (so BGH VersR 1970, 924 [BGH 07.07.1970 - VI ZR 233/69] [927]; Senat NZV 2006, 261 [OLG München 27.01.2006 - 10 U 4904/05]; Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [[...]]; v. 15.09.2006 - 10 U 3622/99 = r+s 2006, 474 [m. zust. Anm. von Lemcke ] = NJW-Spezial 2006, 546 [m. zust. Anm. von Heß/Burmann ], Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschl. v. 08.05.2007 - VI ZR 29/07 [[...]] zurückgewiesen; v. 21.05.2010 - 10 U 2853/06 [[...], Rz. 123]).
Als Mindestmaß für die Beweisführung ist zu fordern, dass die unfallbedingte Entstehung der behaupteten Beschwerden wahrscheinlicher ist als ihre unfallunabhängige Entstehung (OLG Karlsruhe NZV 2001, 511; OLG Brandenburg VRS 107 [2004] 85; Senat, Urt. v. 21.05.2010 - 10 U 2853/06 [[...], Rz. 125]). Dies gilt insbesondere auch für neurologische Dauerfolgen, deren Eintritt oder Auslösung durch das Unfallgeschehen zunächst nicht zu erwarten war (so BGH VersR 1970, 924 [BGH 07.07.1970 - VI ZR 233/69] [927]; Senat r+s 2006, 474 m. zust. Anm. von Lemcke = NJW-Spezial 2006, 546 m. zust. Anm. von Heß/Burmann [Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschl. v. 08.05.2007 - VI ZR 29/07 zurückgewiesen]).
Vor diesem Hintergrund geht die Beweiswürdigung des Erstrichters bereits im Ansatz fehlt, was allein schon zu einer vollständigen Neubewertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme führen muss.
Lediglich über die von der HWS-Distorsion völlig unabhängige Frage, ob die Klägerin beim Unfall zusätzlich ein akutes BWS -Syndrom, ein LWS - Syndrom und eine Thoraxprellung erlitten hat, ist eine Beweiswürdigung unter Beachtung der strengen Anforderungen des 286 ZPO vorzunehmen.
3.
Die bisherige medizinische Begutachtung durch die Sachverständigen Dr. B. (orthopädisch-chirurgisches Gutachten vom 05.03.2009, Blatt 233 d.A. mit mündlicher Erläuterung am 02.03.2010, Blatt 358/364 d.A.) und Dr. R. (neurochirurgisches Zusatzgutachten vom 26.03.2009, Blatt 240/247 d.A. mit mündlicher Erläuterung am 02.03.2010, Blatt 364/366 d.A. sowie im Parallelverfahren 1 O 1000/08 am 23.02.2010, Anlage zu Blatt 357 d.A.) ist nicht ausreichend, abschließende Erkenntnisse über den Umfang der unfallbedingten Verletzungsfolgen zu gewinnen. Das Verfahren bedarf daher einer weiteren Beweisaufnahme.
a)
Es ist bereits völlig offen, welches Beschwerdebild der Klägerin der rechtlichen Bewertung zu Grunde zu legen ist. Die Klägerin hat ihre Beschwerden in der als Anlage zu Blatt 86 vorgelegten Aufstellung ausführlich zusammengefasst und sich hierüber auch gegenüber den gerichtlichen Gutachtern geäußert. Welche dieser Beschwerden im Einzelnen Grundlage der medizinischen Bewertung und der angefochtenen Entscheidung geworden sind, ist bisher nicht erkennbar.
b)
Beide Sachverständige beschreiben ein Aggravationsverhalten der Klägerin im Rahmen der durchgeführten Untersuchung (Seite 7 Gutachten Dr. R. und Seite 14 Gutachten Dr. B.), legen sich aber nicht fest, inwieweit sie den Angaben der Klägerin Glauben geschenkt haben.
c)
Von welchem Beschwerdebild der Erstrichter ausgegangen ist, ist unklar geblieben. Die vom Erstrichter unter Ziffer 4 des angefochtenen Urteils dargelegte Beweiswürdigung ist schwer nachvollziehbar, weil sie klare Aussagen vermissen lässt. Der Erstrichter stellt zunächst fest, dass zumindest ein Teil der geschilderten Beschwerden nicht zutreffend sei und bezüglich des weiteren Teiles diese nicht objektiv nachgewiesen seien, weil sie ausschließlich auf Darstellungen der Klägerin beruhen (Absätze 2 und 3). Eine Beschreibung, welche Beschwerden er in welche Kategorie eingestuft hat, fehlt. In den weiteren Ausführungen weist er auf verschiedene alternative Ursachen hin und beendet diesen Punkt der Beweiswürdigung mit dem Hinweis, dass es den privatärztlichen Stellungnahmen daran mangelt, dass diese die Beschwerden der Klägerin als glaubhaft angesehen haben, was "wie dargestellt jedoch nicht der Fall sei". Nach dieser Feststellung scheint der Erstrichter der Klägerin die von ihr geschilderten Beschwerden grundsätzlich nicht geglaubt zu haben.
Eine solche Würdigung wäre jedoch allein schon deswegen wenig überzeugend, weil alle 3 gerichtlichen Sachverständigen davon ausgehen, dass die Klägerin tatsächlich unter Beschwerden leidet. Es liegt auch eine widersprüchliche Urteilsbegründung vor, wenn sich die Entscheidungsgründe in anderen Bereichen des Urteils mit der Frage der Unfallkausalität der Beschwerden befassen und die Beweiswürdigung mit dem Hinweis beginnt, dass unfallbedingte Verletzungen nicht nachgewiesen sind.
d)
Dem erstinstanziellen Verfahren fehlt es auch an der notwendigen Anhörung der Klägerin durch das Gericht. Der Erstrichter hat die Klägerin lediglich im Parallelverfahren 1 O 1000/08 angehört (vergleiche Protokoll vom 23.02.2010, Anlage zu Blatt 357/368 d.A.). Das Protokoll der Verhandlung vom 23.02.2010 wurde im vorliegenden Verfahren nur zum Zwecke der Verwertung der dort enthaltenen Ausführungen des Sachverständigen Dr. R. zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht (Blatt 365 d.A.). Über die Verwertung der dort enthaltenen Ausführungen der Klägerin finden sich keine protokollierten Feststellungen. Auch in den schriftlichen Urteilsgründen wurden die Angaben der Klägerin nicht berücksichtigt.
e)
Die Ansicht des Erstrichters, die medizinischen Sachverständigen seien überzeugend und gründlich, teilt der Senat nicht. Die von der Rechtsprechung geforderte sorgfältige und kritische Würdigung des Gutachtens (vgl. etwa BGH NJW 1986, 1928 [BGH 06.03.1986 - III ZR 245/84] [1930]; NJW-RR 1998, 1117 [BGH 16.09.1997 - X ZR 54/95] [1118 unter II 2]; BGHZ 116, 47, 58; NJW 2001, 1787 [BGH 16.01.2001 - VI ZR 408/99] [unter II 2]; BGHZ 169, 30 = NJW-RR 2007, 106; WM 2007, 1901 [BGH 18.07.2007 - VIII ZR 236/05] = BGHReport 2008, 39; BayObLG NJW-RR 1991, 1098 [1100]; FamRZ 2006, 68; OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2007,19 = OLGR 2006, 970; Walter/Küper NJW 1968, 182; Müller, Der Sachverständige im gerichtlichen Verfahren, 3. Aufl. 1998, Rz. 686; Jauernig a.a.O. 54 IV; Bayerlein, Praxis-Handbuch Sachverständigenrecht, 4. Aufl. 2008, 22 Rz. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, 121 Rz. 66) hat nicht stattgefunden. Der Erstrichter hätte sonst erkannt, dass die Gutachten einige Mängel aufweisen:
aa)
Beide Gutachten erfüllen bereits nicht die formellen Anforderungen, die an ein überzeugendes Sachverständigengutachten zu stellen sind. Sie beschränken sich auf eine Darstellung der durchgeführten Untersuchung und schließen hieran eine knappe Beantwortung der Beweisfragen ohne überzeugende Argumentation an. Die Gutachter legen letztlich nur eine persönliche Meinung dar, die wissenschaftlich nicht unterlegt wird. Literaturhinweise fehlen und die dem Gutachten zugrundeliegenden juristischen Vorstellungen insbesondere zum Kausalitätsbegriff und Beweismaß (BGHZ 159, 254 = NJW 2004, 2828 = MDR 2004, 1313 [unter II 2 b aa]; OLG Hamm NZV 1994, 189 [190]; OLG Brandenburg, Urt. v. 8.3.2007 - 12 U 48/06 [[...]]; Senat, Urt. v. 14.07.2006 - 10 U 5624/05 [[...]]; Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Aufl. 1994, Rz. 1441) fehlen.
bb)
Das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. R. entbehrt jeglicher Sorgfalt. Es besteht zu großen Teilen aus Kopien des Gutachtens Dr. B., was sogar so weit geht, dass er in seinem neurochirurgischen Zusatzgutachten ausführt, dass dieses auf orthopädischem und chirurgischem Fachgebiet erstellt sei (Seite 2 des Gutachtens). Er stellt die nicht näher begründete Diagnose einer Konversionsstörung (Seite 6 des Gutachtens), beantwortet die Beweisfrage durch eine kopierte Übernahme der Feststellungen des Sachverständigen Dr. B. und ergänzt diese lediglich noch mit dem Vermerk "es ergibt sich kein Hinweis für eine neurologische Störungen".
Welche Anforderungen der Sachverständige hierbei an einen Nachweis gestellt hat, lässt sich dem Gutachten nicht entnehmen. Aus seinen Ausführungen auf Seite 7 des Gutachtens "die Befunde sind nicht eindeutig durch einer neurologischen Schädigung zuzuordnen" lässt sich allerdings schließen, dass er in seiner Abschlussbeurteilung von einem nicht vorliegenden Vollbeweis ausgegangen ist.
Die mündlichen Ausführungen des Sachverständigen im Parallelverfahren 1 O 1000/08 befassen sich aufgrund der zahlreichen, an ihn gerichteten Fragen zwangsläufig eingehender mit den Erkenntnissen seiner Begutachtung, lassen letztlich aber ebenfalls nur den pauschalen Schluss zu, dass seine Untersuchung "kein eindeutiges objektivierbares neurologisches Defizit" ergeben hat (Seite 9 des Protokolls).
Die von der Klägerin geklagten Beschwerden sieht aber auch er als mögliche, teils mittelbare Folge einer HWS-Verletzung an (Seite 9 des Protokolls).
cc)
Das Gutachten Dr. B. überzeugt deswegen nicht, weil der Gutachter in seinem schriftlichen Gutachten noch zu dem Ergebnis gelangt, dass bei verdrehter Körperhaltung auch ein BWS- Syndrom ausreichend wahrscheinlich sei (Seite 15 des Gutachtens), dies aber in seiner mündlichen Anhörung am 02.03.2010 verneint hat (Blatt 358 d.A.). Ferner geht er ohne nähere wissenschaftliche Erläuterung oder Bezugnahme davon aus, dass, wenn Beschwerden mehr als 10-14 Tage nach dem Unfall ohne objektivierbaren Schaden auftreten, ein Zusammenhang mit dem Unfall nicht mehr herzustellen sei (Blatt 359 d.A.). Auch die Ausführung, die fehlende Erinnerung der Klägerin resultiere aus einer Aufregung nach dem Unfall, ist wissenschaftlich von ihm nicht belegt.
f)
Die bisherige Beweiserhebung ist auch unvollständig, weil es einer ergänzenden psychiatrischen Begutachtung bedarf.
Die Erkenntnis, dass die Beschwerden der Klägerin aus orthopädischer und neurologischer Sicht nicht nachweisbar sind, schließt im Gegensatz zur Annahme des Erstrichters weder das Vorhandensein dieser Beschwerden noch ihre Unfallkausalität aus.
Der Erstrichter hat verkannt, dass die Klägerin Beschwerden behauptet, die auch durch eine neurotische Fehlentwicklung erklärbar sind und als Sekundärfolge eines Unfallgeschehens ohne weiteres denkbar sind. Der Sachverständige Dr. B. hat auf Seite 12 seines Gutachtens (unter Überschreitung seiner Fachkompetenz, aber mit durchaus berechtigtem Anlass) die Diagnose einer Konversionsstörung gestellt. Der Sachverständige Dr. R. ist dem gefolgt (Blatt 245 d.A.) und auch schon der Sachverständige Dr. A., der eine biomechanische Begutachtung durchgeführt hat, hat in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass die Klägerin auch psychische Beeinträchtigungen beklagt, die einer weiteren medizinischen Begutachtung vorbehalten bleiben müssen (Seite 29 des Gutachtens vom 13.11.2007, Blatt 107 d.A.)
Da der Schädiger grundsätzlich auch für eine psychische Fehlverarbeitung als haftungsausfüllende Folgewirkung einzustehen hat, wenn eine hinreichende Gewissheit besteht, dass die psychisch bedingten Ausfälle ohne den Unfall nicht eingetreten wären (Senat, Urteil vom 21.05.2010 - 10 U 2853/06 - < [...]> m.w.N.), bedarf es einer Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet. Die bisher eingeholten Gutachten können diese Begutachtung nicht ersetzen. Der Bundesgerichtshof sieht einen Neurologen im Verhältnis zu einem Psychiater bei der Begutachtung der Entwicklung einer Unfallneurose als nicht ausreichend qualifiziert an (BGH NJW 1996,2425 [BGH 30.04.1996 - VI ZR 55/95]).
g)
Mit der klägerseits behaupteten unfallbedingten BWS-Verletzung befassen sich die Urteilsgründe überhaupt nicht, obwohl der Sachverständige Dr. B. in seinem schriftlichen Gutachten noch zu dem Ergebnis gelangt ist, dass bei verdrehter Körperhaltung auch ein BWS- Syndrom ausreichend wahrscheinlich sei (Seite 15 des Gutachtens). Dass er diese Wahrscheinlichkeit dann in seiner mündlichen Anhörung verneint hat, hätte einer weiteren Erläuterung des Sachverständigen und einer anschließenden Würdigung des Gerichts bedurft.
Einer Klärung bedarf auch der Widerspruch zwischen den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. im schriftlichen Gutachten, der nur bei einer verdrehten Körperhaltung eine BWS - Verletzung als ausreichend wahrscheinlich ansieht, und den Ausführungen des Sachverständige Dr. A., der davon ausgeht, dass sich die verdrehte Körperhaltung der Klägerin nicht verschlimmernd ausgewirkt habe (Seite 28 des Gutachtens sowie mündliche Anhörung vom 03.11.2009, Blatt 319 d.A.).
h)
Schließlich hätte es zur Abklärung eventueller vorbestehender Beschwerden der Klägerin auch der Einholung des Vorerkrankungsverzeichnisses der Krankenkassen bedurft.
4.
Ohne Erfolg greift dagegen die Berufung die Entscheidung des Erstgerichts an, von der Einholung eines neurootologischen Gutachtens abzusehen, die behandelnden Ärzte nicht anzuhören und auch der PET - Untersuchung durch Dr. H. keine entscheidende Bedeutung beizumessen.
a)
Beweisanträgen auf Erholung eines neurootologischen Zusatzgutachtens muss grundsätzlich nicht entsprochen werden (Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05; Urt. v. 04.05.2006 - 10 U 1564/06; v. 15.09.2006 - 10 U 3622/99 = r+s 2006, 474 m. zust. Anm. von Lemcke = NJW-Spezial 2006, 546 m. zust. Anm. von Heß/Burmann [Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschluss v. 08.05.2007 - VI ZR 29/07 zurückgewiesen], weil es sich bei der in Deutschland von Claus Frenz Claussen begründeten Neurootologie (vgl. ders., DAR 2001, 337-343) nicht um eine anerkannte medizinische Fachdisziplin handelt (OVG Münster Urt. v. 11.07.2002 - 6 A 4067/92 [[...]]; OLG Hamm NZV 2003, 2602 m. abl. Anm. Forster NZV 2004, 314 [OLG Hamm 25.02.2003 - 27 U 211/01]; in diesem Sinne auch OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 01.10.2004 - 4 U 26/95 [[...]]; nach der Leitlinie "Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie gehört die Neurootologie zu den i.d.R. nicht empfehlenswerten Diagnoseverfahren; a.A. OLG Celle VersR 2002, 1300 [OLG Celle 02.11.2000 - 14 U 277/99] und tw. Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozeß, 25. Aufl. 2008, Kap. 37 Rz. 36 unter völlig unzulänglicher Auswertung der Rechtsprechung), unabhängig davon die Neurootologie keine verlässlichen Aussagen über die Ursachen von Beschwerden liefert (OLG Braunschweig VersR 2001, 653 [OLG Braunschweig 06.03.2000 - 6 U 24/99] - Revision vom BGH durch Beschl. v. 24.10.2000 - VI ZR 126/00 nicht angenommen; OLG Koblenz, Urt. v. 18.04.2005 - 12 U 609/02 [[...]]; im Ergebnis - bei Darlegung der entsprechenden Sachkunde des Gerichts zur Beurteilung dieser Frage [was inzwischen aufgrund der obigen Rechtsprechung und medizinischen Literatur problemlos möglich ist, vgl. nachstehende Senatsentscheidung r+s 2006, 474] - schon BGH NZV 1993, 346 unter II 1).
b)
Die Vernehmung der behandelnden Ärzte war nicht erforderlich. Die Feststellungen der behandelnden Ärzte sind zwar eine wichtige Erkenntnisquelle (BGH, Urt. v. VersR 2008, 1133 = NZV 2008, 502 [BGH 03.06.2008 - VI ZR 235/07] [503]; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.03.2002 - I - 1 U 142/01 [[...]]), genügen aber nicht zur Beweisführung für die regelmäßig entscheidende Frage des Kausalzusammenhangs (BGH NZV 2000, 121 unter II 1 a.E.; VersR 2008, 1133 = NZV 2008, 502 [BGH 03.06.2008 - VI ZR 235/07] [503]; OLG Hamm NZV 2001, 468 = SP 2002, 11 = VersR 2002, 992 = r+s 2002, 371 [OLG Hamm 02.07.2001 - 13 U 224/00]; Senat SP 2002, 347 f. und NZV 2003, 474 [OLG München 08.02.2002 - 10 U 3448/99] [475] - Revision vom BGH durch Beschl. v. 01.04.2003 - VI ZR 156/02 nicht angenommen; Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [[...]] und v. 15.09.2006 - 10 U 3622/99 = r+s 2006, 474 m. zust. Anm. von Lemcke = NJW-Spezial 2006, 546 m. zust. Anm. von Hess/Burmann [Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschluss v. 08.05.2007 - VI ZR 29/07 zurückgewiesen]; OLG Düsseldorf a.a.O.; KG VRS 110 [2006] 1 [3]; OLG Frankfurt a.M. zfs 2008, 264; v. Hadeln NZV 2001, 457 [458 f.]; Müller VersR 2003, 137 [146]; aus medizinischer Sicht eingehend Mazzotti/Castro NZV 2008, 113 [114 unter II]; a.A. OLG Bamberg NZV 2001, 470 = DAR 2001, 121; LG Landau i. d. Pfalz NZV 2002, 121 m.w.N.; LG Augsburg NZV 2002, 122).
Aus diesem Grund ist einem Beweisantrag auf Einvernahme der Ärzte als sachverständige Zeugen i.d.R. nicht nachzukommen (BGH NZV 2000, 121 unter II 1 a.E.; VersR 2008, 1133 [BGH 03.06.2008 - VI ZR 235/07]; ; KG NZV 2005, 521 = VRS 109 [2005] 88; Senat NZV 2003, 474 [OLG München 08.02.2002 - 10 U 3448/99] [475] - Revision vom BGH durch Beschl. v. 01.04.2003 - VI ZR 156/02 nicht angenommen; Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [[...]]; a.A. Eggert VA 2004, 204).
Der BGH hat in der Entscheidung vom 03.06.2008 - Az. VI ZR 235/07 - (VersR 2008, 1133) ausgeführt:
Eine Vernehmung der behandelnden Ärzte als Zeugen oder sachverständige Zeugen ist zudem entbehrlich, wenn das Ergebnis ihrer Befundung schriftlich niedergelegt, vom Sachverständigen gewürdigt und in die Beweiswürdigung einbezogen worden ist, denn bei der Frage nach einem Zusammenhang der geltend gemachten Beschwerden mit dem Unfallgeschehen kommt es allein auf die Beurteilung durch Sachverständige und nicht auf die Aussagen von Zeugen an (Senatsurteile vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - VersR 2000, 372, 373 und vom 20. März 2007 - VI ZR 254/05 - VersR 2008, 235, 237 f.).
c)
Die von Dr. H. durchgeführte PET- Untersuchung ist auch nach Ansicht des Senats ohne entscheidende Bedeutung, weil nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Diagnose des Beschleunigungstraumas der Halswirbelsäule das PET-Verfahren im Rahmen der Diagnostik nicht empfohlen wird (Internetseite: http://www.dgn.org/images/stories/dgn/leitlinien/LL2008/ll08kap_076.pdf ).
5.
Der Senat hat - entgegen seiner sonstigen Praxis - im vorliegenden Falle nicht von der Möglichkeit einer eigenen Sachentscheidung nach 538 I ZPO Gebrauch gemacht, weil dies hier nicht sachdienlich erscheint.
Eine Beweisaufnahme in dem vorstehend beschriebenen Umfang wäre umfangreich i.S.d. 538 II 1 Nr. 1 ZPO und würde den Senat zu einer mit der Neukonzeption der Berufung durch das ZPO-RG unvereinbaren nahezu vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens zwingen ( Senat in st. Rspr., zuletzt Urt. v. 05.11.2010 - 10 U 2401/10 (VersR 2011, 549 ff. m. zust. Anm. Hoffmann ). Eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist angesichts seiner Geschäftsbelastung keinesfalls zu erwarten.
Eine (erheblich) mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Zurückweisungsgrund nach 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (OLG Zweibrücken OLGR 2000, 221; OLG Bremen OLGR 2009, 352; Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [[...], dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [[...], dort Rz. 13 = NJW-Spezial 2010, 554 - red. Leitsatz, Kurzwiedergabe]; v. 05.11.2010 - 10 U 2401/10 [VersR 2011, 549 ff. m. zust. Anm. Hoffmann] und v. 13.05.2011 - 10 U 3951/10 [[...], dort Rz. 28 = BeckRS 2011, 12188 m. zust. Anm. Kääb FD-StrVR 2011, 318319]).
Ein schwerwiegender Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts liegt schon darin, dass es die Pflicht zur persönlichen Anhörung der Unfallbeteiligten in Verkehrsunfallsachen verletzt hat (OLG Schleswig OLGR 2008, 314 = NJW-RR 2008, 1525 = MDR 2008, 684 [OLG Schleswig 20.12.2007 - 7 U 45/07] [nur Ls.] = NZV 2009, 79; Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [[...], dort Rz. 23]). Zur Aufklärung der Verletzungsfolgen ist im vorliegenden Verfahren die persönliche Anhörung der Klägerin zwingend erforderlich.
Ferner stellt auch eine erheblich fehlerhafte Beweiswürdigung einen Verfahrensverstoß dar, welcher zur Zurückverweisung gem. 538 II 1 Nr. 1 ZPO berechtigt (BGH NJW 1957, 714 [BGH 19.02.1957 - VIII ZR 206/56] = ZZP 71 [1957] 470; OLG Köln VersR 1977, 577; 1997, 712; Senat, Urt. v. 14.07.2006 - 10 U 5624/05 [[...]]; v. 01.12.2006 - 10 U 4328/06; v. 04.09.2009 - 10 U 3291/09; v. 06.11.2009 - 10 U 3254/09; v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [[...], dort Rz. 23 = VA 2010, 93 - red. Leitsatz, Kurzwiedergabe]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [[...], dort Rz. 13 = NJW-Spezial 2010, 554 - red. Leitsatz, Kurzwiedergabe]; v. 05.11.2010 - 10 U 2401/10 [VersR 2011, 549 ff. m. zust. Anm. Hoffmann]; OLG Bremen OLGR 2009, 352; Wieczorek/ Rössler, ZPO, 2. Aufl. 1988, 539 Anm. B III d; Zöller/ Heßler, ZPO, 28. Aufl. 2010, 538 Rz. 28).
Die Frage der Zurückverweisung wurde auch in der mündlichen Verhandlung mit den Parteivertretern ausführlich erörtert. Die Klägerin hat ihren bereits schriftlich gestellten Zurückverweisungsantrag wiederholt.
6.
Nach dem Wortlaut des 538 II 1 Nr. 1 ZPO ist das erstinstanzliche Verfahren aufzuheben, soweit es durch den Mangel betroffen wird. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, lediglich den von dem Verstoß betroffenen Verfahrensvorgang zu beseitigen, wobei sich die Aufhebung auf mangelbehaftete, eindeutig abtrennbare Verfahrensteile beschränkt werden kann (OLG Saarbrücken NJW-RR 1999, 719 [720]; Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [[...], dort Rz. 33]; v. 05.11.2010 - 10 U 2401/10 [VersR 2011, 549 ff. m. zust. Anm. Hoffmann]; v. 13.05.2011 - 10 U 3951/10 [[...], dort Rz. 30 = BeckRS 2011, 12188 m. zust. Anm. Kääb FD-StrVR 2011, 318319]); Eichele/Hirtz/Oberheim, Berufung im Zivilprozess, 2. Aufl. 2008, Kap. XVIII Rz. 89; Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen, 7. Aufl. 2008, Rz. 670).
Der Senat hat von der Beschränkungsmöglichkeit Gebrauch gemacht und von der Verfahrensaufhebung die Begutachtung durch Dr. Christian A. ausgenommen. Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. überzeugen, so dass - je nach Verlauf der nochmals durchzuführenden Beweiserhebung - allenfalls eine ergänzende Befragung des Sachverständigen in Betracht kommen kann.
7.
Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:
Um eine ausreichende Tatsachengrundlage für eine abschließende Entscheidung zu schaffen, bedarf es neben der Wiederholung der bisherigen Beweiserhebung auch einer ergänzenden Tatsachenfeststellung zum Gesundheitszustand der Klägerin vor dem streitgegenständlichen Unfall und einer Feststellung, welchen Einfluss der zweite Unfall auf den Gesundheitszustand der Klägerin hatte. Hierzu gehört die Aufklärung der näheren Umstände des zweiten Unfalls und des Beschwerdebilds der Klägerin zwischen dem ersten und dem zweiten Unfall. Es ist sodann auf Basis der ergänzenden Feststellungen zu prüfen, ob und in welchem Umfang unter Beachtung des Maßstabes des 287 ZPO eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Beschwerden der Klägerin, soweit sie nachgewiesen sind, insbesondere auch eventuelle neurotische Fehlentwicklungen durch den streitgegenständlichen Unfall verursacht worden sind.
Es erscheint nahe liegend, hierzu zunächst von der Klägerseite eine umfangreiche ergänzende Stellungnahme mit Vorlage eines Vorerkrankungsverzeichnisses einzufordern. Sodann sind strittige Fragen durch Beweiserhebung zu klären, wobei in diesem Rahmen eine Anhörung der Klägerin in Gegenwart der zu beauftragenden medizinischen Sachverständigen zweckmäßig erscheint. Unter Berücksichtigung des bisherigen Vortrags der Klägerin erscheint eine Begutachtung auf orthopädischem, neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet unerlässlich, wobei das Gericht den Sachverständigen im Hinblick auf das aktenkundige Aggravationsverhalten der Klägerin vorzugeben hat, welches Beschwerdebild der Klägerin sie ihrer Begutachtung zugrunde zu legen haben.
II.
Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032 [BGH 06.05.1987 - IVb ZR 54/86]; Senat in st. Rspr., zuletzt Urt. v. 05.11.2010 - 10 U 2401/10 [VersR 2011, 549 ff. m. zust. Anm. Hoffmann] und v. 13.05.2011 - 10 U 3951/10 [[...], dort Rz. 32 = BeckRS 2011, 12188 m. zust. Anm. Kääb FD-StrVR 2011, 318319]).
Die Gerichtskosten waren gem. 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel, welcher allein gem. 538 II 1 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung führen kann, denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des 21 I 1 GKG darstellt; dies gilt jedenfalls bei einem - hier gegebenen -offensichtlichen Verstoß gegen eine klare gesetzliche Regelung (BGH NJW 1962, 2107 = MDR 1962, 45; BGHZ 98, 318 [320]; BGH, Beschl. v. 27.01.1994 - V ZR 7/92 [[...]]; NJW-RR 2003, 1294 [BGH 10.03.2003 - IV ZR 306/00]; Senat in st. Rspr., zuletzt Urt. v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [[...], dort Rz. 34 = VA 2010, 92 - red. Leitsatz, Kurzwiedergabe]; v. 05.11.2010 - 10 U 2401/10 [VersR 2011, 549 ff. m. zust. Anm. Hoffmann] und v. 13.05.2011 - 10 U 3951/10 [[...], dort Rz. 32 = BeckRS 2011, 12188 m. zust. Anm. Kääb FD-StrVR 2011, 318319]).
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf 708 Nr. 10 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf die 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232 [BGH 24.11.1976 - IV ZR 3/75]; Senat in st. Rspr., zuletzt Urt. v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [[...], dort Rz. 34 = VA 2010, 93 - red. Leitsatz, Kurzwiedergabe]; v. 05.11.2010 - 10 U 2401/10 [VersR 2011, 549 ff. m. zust. Anm. Hoffmann] und v. 13.05.2011 - 10 U 3951/10 [[...], dort Rz. 32 = BeckRS 2011, 12188 m. zust. Anm. Kääb FD-StrVR 2011, 318319]), allerdings ohne Abwendungsbefugnis (OLG Düsseldorf a.a.O.; Senat a.a.O.).
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, daß die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.